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10 Fragen – 10 Antworten zur Eizellenspende

Freiheit in der Entscheidung – Verantwortung im Handeln. 

Die Frage nach der Legalisierung der Eizellenspende bewegt die Schweiz: Der Bundesrat plant, das bisherige Verbot aufzuheben und damit eine Möglichkeit zu schaffen, eine bestimmte Form weiblicher Unfruchtbarkeit medizinisch zu behandeln – so wie dies bei männlicher Unfruchtbarkeit durch die Samenspende bereits möglich ist. Während dies für viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch eine neue Perspektive eröffnet, wirft die Debatte auch ethische, medizinische und gesellschaftliche Fragen auf. 

Wie gehen wir mit den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin um? Wo liegen die Grenzen zwischen persönlichem Wunsch, medizinischer Machbarkeit und ethischer Verantwortung? Welche Risiken birgt die Eizellenspende für Spenderinnen, Wunschmütter und Kinder? Inwiefern beeinflusst sie unser Verständnis von Elternschaft, Familie und Abstammung? Und wie verhält sich das reformierte Verständnis von Freiheit und Verantwortung zur Fortpflanzungsmedizin? 

Die reformierte Tradition betont die persönliche Freiheit in ethischen Entscheidungen, fordert aber gleichzeitig eine reflektierte Abwägung der Folgen für alle Beteiligten. In diesem Spannungsfeld erinnert uns die Bibel: 

„Alles ist erlaubt – aber nicht alles ist zuträglich. Alles ist erlaubt – aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern jeder das des anderen!“ (1. Korinther 10,23-24). 

Dieser Katalog mit 10 Fragen – 10 Antworten gibt Orientierung aus reformierter Perspektive und lädt dazu ein, eine eigene Haltung zur Eizellenspende zu finden. 

1. Warum soll das bisherige Verbot der Eizellenspende in der Schweiz aufgehoben werden?

Das aktuelle Verbot der Eizellenspende führt zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung der Unfruchtbarkeit bei Frauen und Männern mit unerfülltem Kinderwunsch. Während die Samenspende bereits seit Jahren erlaubt ist, weichen Frauen, die unter einer Unfruchtbarkeit leiden, ins Ausland aus, um eine Behandlung mit gespendeten Eizellen zu erhalten. Männliche Unfruchtbarkeit kann durch die Samenspende behoben werden, weibliche Unfruchtbarkeit kann derzeit in der Schweiz nicht legal behoben werden. Dies führt zum sogenannten “Fortpflanzungstourismus” und erschwert den Schutz der betroffenen Frauen und Kinder. Eine Legalisierung der Eizellenspende würde die Ungleichbehandlung beheben, den rechtlichen Rahmen für Spenden klar regeln und Missbrauch reduzieren 

2. Inwiefern unterscheidet sich die Eizellenspende von der Samenspende – und warum war sie bisher verboten?

Die zentrale Unterscheidung liegt in den medizinischen und körperlichen Anforderungen: Während eine Samenspende unkompliziert ist, erfordert die Eizellenspende eine hormonelle Stimulation und einen invasiven medizinischen Eingriff zur Entnahme der Eizellen. Dies birgt gesundheitliche Risiken für die Spenderinnen. Die Eizellenspende unterscheidet sich von der Samenspende durch die gesundheitliche Belastung und das Risiko für die Spenderin erheblich. Dieser Differenz ist bei der Aufhebung des Verbots in einer entsprechenden Verordnung Rechnung zu tragen. Eine Regelung darf nicht dazu führen, dass Frauen aus ökonomischer oder sozialer Notlage heraus zur Spende gedrängt werden.

Traditionell begründet sich das Verbot mit der Sorge um die “Aufspaltung der Mutterschaft”, da bei einer Eizellenspende die genetische Mutter (Spenderin) und die biologische, das Kind austragende Mutter nicht identisch sind. Man fürchtete, dies könnte die Mutter-Kind-Beziehung oder die Identitätsentwicklung des Kindes negativ beeinflussen. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass eine offene Kommunikation über die Herkunft des Kindes solche Bedenken weitgehend entkräften kann. 

3. Welche Risiken birgt die Eizellenspende für Spenderinnen, Wunschmütter und Kinder?

Die Risiken für die Eizellenspenderin umfassen mögliche Nebenwirkungen der hormonellen Stimulation, wie ein Ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS), sowie seltene Komplikationen durch den chirurgischen Eingriff, etwa Infektionen oder Blutungen.
Für die Wunschmutter bestehen Risiken, die mit einer Schwangerschaft im höheren Alter zunehmen, darunter Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes und Frühgeburtlichkeit.

Für das Kind gibt es bisher keine umfassenden Langzeitstudien zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen, doch die psychologische Entwicklung hängt stark von der familiären Kommunikation über die eigene Herkunft ab. Kinder, die früh über ihre Zeugung informiert werden, zeigen weniger emotionale Belastungen. 

Eine besondere soziale Herausforderung ist die Gefahr einer wirtschaftlichen oder Instrumentalisierung: Wenn finanzielle Anreize entstehen, könnten Frauen unter Druck geraten, Eizellen zu spenden, auch wenn dies gesundheitliche Risiken birgt.  

4. Welche Bedeutung hat das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung im Kontext der Eizellenspende?

Das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung schützt die Freiheit der Person, über ihre Fortpflanzung selbst zu entscheiden. Dies schliesst das Recht ein, medizinische Unterstützung bei der Erfüllung eines Kinderwunsches in Anspruch zu nehmen. Die Eizellenspende stellt dabei eine Möglichkeit für Paare dar, ungewollte Kinderlosigkeit durch eine Unfruchtbarkeit der Frau zu überwinden.

Die reproduktive Selbstbestimmung bedeutet keinen Rechtsanspruch auf ein Kind, weil es kein Recht auf eine Person geben kann. Darüber hinaus muss der Staat die Reproduktionsfreiheit dort begrenzen, wo sie in die Freiheiten anderer Personen eingreifen und mit dem allgemeinen Interesse kollidieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Rechte der Spenderinnen, des Kindes, das Kindeswohl im Blick auf die elterliche Verantwortung für die Entwicklung des Kindes und die Kohärenz der Ziele der Fortpflanzungsmedizin mit grundlegenden gesellschaftlichen Werten und ethischen Prinzipien. 

5. Welche Rolle spielen medizinische und soziale Gerechtigkeit in der Debatte um die Eizellenspende?

Eine Legalisierung der Eizellenspende würde den Zugang zu medizinischer Hilfe für Frauen mit einer Unfruchtbarkeit verbessern und eine gerechtere Behandlung von Frauen und Männern ermöglichen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Frauen Eizellen spenden dürfen: Gibt es eine faire Entschädigung? Wie kann sichergestellt werden, dass keine finanzielle Notlage zur Spende drängt? Wer kann sich eine Eizellenspende leisten, und verstärkt dies soziale Ungleichheiten? Sind die Behandlungskosten der Allgemeinheit zuzumuten? Können die gesundheitlichen Risiken hinreichend abgeschätzt und den spendewilligen Frauen zugemutet werden?
Bei der Umsetzung muss gewährleistet werden, dass Frauen nicht aufgrund einer prekären sozioökonomischen Lage zur Eizellenspende gezwungen werden. Eine Instrumentalisierung und Ausbeutung der Frau und ihres Körpers muss unbedingt verhindert werden. Schliesslich muss jeder soziale Druck konsequent zurückgewiesen werden, der Frauen moralisch zu einer Eizellenspende verpflichtet. 

6. Welche Konsequenzen hätte eine Legalisierung der Eizellenspende für den gesellschaftlichen Umgang mit Familie und Fortpflanzung?

Eine Legalisierung könnte das gesellschaftliche Verständnis von Familie erweitern, indem sie unterschiedliche Formen der Elternschaft anerkennt. Die klare rechtliche Regelung würde mehr Sicherheit für alle Beteiligten schaffen und Paaren, die auf eine Eizellenspende angewiesen sind, ermöglichen, dies innerhalb der Schweiz zu tun, anstatt auf unsichere oder unregulierte Angebote im Ausland zurückzugreifen. Vor allem wäre damit das Recht des Kindes auf Wissen über seine Abstammung garantiert.
Langfristig stellt sich die Frage, ob mit der Eizellenspende auch andere Verfahren wie die Embryonenspende oder Leihmutterschaft zur Diskussion stehen werden – Themen, die ethisch noch umstrittener sind. Die medizinischen Möglichkeiten befreien uns nicht von der Aufgabe, den unerfüllten Kinderwunsch zu thematisieren, Kinderlosigkeit zu entstigmatisieren und sie als eine von vielen möglichen Lebensformen wertzuschätzen. 

7. Wie beeinflusst die Eizellenspende das Verständnis von Elternschaft und Abstammung?

Das schweizerische Recht folgt dem sehr alten Rechtsgrundsatz: “Mater semper certa est” – die Mutter ist immer gewiss. Als Mutter des Kindes gilt die Frau, die es geboren hat. Mit der Eizellenspende kommt es zu einer Aufspaltung der Mutterschaft: Die biologische Mutter, die das Kind ausgetragen hat, ist nicht die genetische Mutter, deren Eizellen für die Zeugung verwendet wurden.

Studien zeigen, dass die Tatsache, zwar die rechtliche, biologische und soziale, aber nicht die genetische Mutter zu sein, zu einer Verunsicherung der Mütter und Eltern führen kann. Diese Verunsicherungen hängen jedoch nicht grundsätzlich mit der biologischen Abstammung, sondern mit den traditionell geprägten, kulturellen Vorstellungen von Mutterschaft zusammen. Die Studien zeigen, dass für das Kind nicht primär die genetische Abstammung entscheidend ist, sondern eine offene Kommunikation und eine stabile familiäre Beziehung. Die Möglichkeiten einer gesunden Identitätsentwicklung für die Kinder und einer selbstverständlichen Identität als Eltern hängt wesentlich ab von der gesellschaftlichen Akzeptanz für neue Elternschaftsmodelle. 

8. Wie verhält sich das reformierte Verständnis von Freiheit und Verantwortung zur Fortpflanzungsmedizin?

Die reformierte Tradition betont die persönliche Verantwortung der Person vor Gott und die Freiheit, ethische Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen. Das schliesst selbstverständlich auch Entscheidungen über die Fortpflanzung mit ein. Allerdings geht Freiheit immer mit Verantwortung einher – gegenüber sich selbst, der Spenderin, dem zukünftigen Kind und der Gesellschaft. Eine kritische Reflexion über die medizinischen und ethischen Implikationen ist daher notwendig. Die reformierte Ethik plädiert für eine “einladende Ethik”, die keine starren moralischen Regeln vorgibt, sondern Menschen dabei unterstützt, informierte und reflektierte Entscheidungen zu treffen. 

Reformierte Ethik will nicht das Gute in Rechtsform giessen. Das Recht soll einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen rechenschaftsfähige und rechenschaftspflichtige Personen das Gute anstreben können. Dass eine medizinische Praxis erlaubt ist, rechtfertigt ihren Einsatz nicht, sondern macht den Einsatz allererst rechtfertigungsfähig.  

9. Welche ethischen und theologischen Fragen wirft die Eizellenspende aus reformierter Perspektive auf?

Die Vorstellung, dass Gottes Geist auch in der Fortpflanzungsmedizin wirkt, steht im Einklang mit dem reformierten Verständnis von Schöpfung und Verantwortung. Der Glaube, dass Gott seine Schöpfung nicht sich selbst überlässt, eröffnet einen Raum des Vertrauens, auch in medizinisch unterstützten Zeugungsprozessen. Deshalb betont die reformierte Theologie die Eigenverantwortung der Menschen, ihre Entscheidungen in diesem Bereich nach bestem Wissen, Gewissen und unter Berücksichtigung ethischer Abwägungen zu treffen. 

Dabei bleibt jedoch eine zentrale Spannung bestehen: Zeugung, Schwangerschaft und Geburt sind mehr als technisch planbare Prozesse. In der biblischen Tradition werden sie als „Wunder“ beschrieben – als Geschehen, das sich weder vollständig erklären noch kontrollieren lässt. Diese Dimension des Unverfügbaren bleibt auch in der Fortpflanzungsmedizin erhalten. Die reformierte Theologie hält es deshalb nicht für notwendig, diese Spannung aufzulösen, sondern nimmt sie als Teil der menschlichen Existenz an. 

Gleichzeitig erfordern die ethischen Herausforderungen der Eizellenspende eine kritische Reflexion. Besonders die Risiken der Kommerzialisierung und die gesundheitlichen Belastungen der Spenderinnen müssen sorgfältig geprüft und durch klare gesetzliche sowie standesethische Regelungen begrenzt werden. Die theologische Frage, wie technische Eingriffe in die Fortpflanzung unser Verständnis von Gott und Mensch beeinflussen, bleibt eine ständige Herausforderung für Kirche und Theologie. Zeitlose Antworten gibt es nicht – aber es gibt die Verantwortung, Paare in schwierigen Entscheidungssituationen ernst zu nehmen und ihnen Mut zu machen: zu einer verantwortungsvollen Entscheidung, die sowohl medizinische Möglichkeiten als auch das Vertrauen auf Gottes Geist mit einbezieht. 

10. Wie kann die Kirche Paare und Individuen begleiten, die vor einer Entscheidung zur Eizellenspende stehen?

Kirchen können durch Seelsorge und Beratung Orientierung bieten. Gerade in existenziellen Entscheidungssituationen ist es wichtig, Räume für Zweifel, Unsicherheiten und Reflexion zu öffnen. Eindeutigkeit ist kein biblisches Prinzip und Ambivalenz das Merkmal alles Existierenden.
Die reformierte Kirche kann Paare ermutigen, sich mit den ethischen, medizinischen und familiären Konsequenzen intensiv auseinanderzusetzen, aber auch die Hoffnung zu betonen, die in jedem neuen Leben liegt. Sie kann die gesellschaftliche Frage stellen: Wie können alternative Familienmodelle stärker anerkannt werden, sodass ein unerfüllter Kinderwunsch nicht als Defizit empfunden wird?

Schliesslich sollte die Kirche ihre Haltung zur Fortpflanzungsmedizin weiterentwickeln, und sich nicht nur kritisch mit Risiken befassen, sondern sich nebst der Beschäftigung mit der ethischen Beurteilung auch fragen: Wie kann kirchliche Begleitung in diesem Bereich konkret aussehen?

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