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Soll die Eizellenspende in der Schweiz legalisiert werden? Der Bundesrat plant eine Gesetzesänderung – doch die Debatte über ethische, medizinische und gesellschaftliche Folgen ist kontrovers. Während viele die rechtliche Gleichstellung von Eizellenspende und Samenspende als überfällig betrachten, warnen andere vor Risiken für Spenderinnen, Wunschmütter und Kinder. In seinem Beitrag beleuchtet Frank Mathwig die reformierte Perspektive auf die Eizellenspende: Welche Rolle spielen Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit in der Fortpflanzungsmedizin? Und welche Konsequenzen hätte eine Legalisierung für Gesellschaft und Kirche?
Im Januar dieses Jahres hat der Bundesrat eine umfassende Überarbeitung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FmedG) beschlossen, um das bisherige Verbot der Eizellenspende aufzuheben.[1] Er folgt damit der von der Wissenschaftskommission des Nationalrats (WBK-NR) im November 2021 eingebrachten Motion «Kinderwunsch erfüllen, Eizellenspende für Ehepaare legalisieren».[2] Der Bundesrat will die Samen- und Eizellenspende rechtlich gleichstellen und – neu – auch unverheirateten Paaren zugänglich machen. Gleichzeitig soll die sogenannte 12er-Regel bei der In-vitro-Fertilisation, nach der pro Behandlungszyklus maximal 12 Embryonen entwickelt werden dürfen, gelockert oder aufgehoben werden. Höchste Priorität bei der Eizellenspende hat der Schutz der Spenderinnen. Das Kindeswohl soll durch das – analog zur Samenspende geltende – Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewahrt werden. Weiter soll eine Verlängerung der bisher auf maximal 10 Jahre befristeten Aufbewahrungszeit von kryokonservierten Samen-, Eizellen und Embryonen geprüft werden. Weil die Eizellenspende Schwangerschaften nach der Menopause und in höherem Alter möglich macht, wird die Einführung einer fixen Altersgrenze für fortpflanzungsmedizinische Behandlungen geprüft.
Die Forderung nach einer Aufhebung des Verbots der Eizellenspende ist nicht neu. Es war bereits Thema im Rahmen der Einführung des FMedG, das im Jahr 2001 in Kraft trat.[3] Gegen die ablehnende Haltung des Gesetzgebers hat sich die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) in ihren Stellungnahmen zur Fortpflanzungsmedizin von 2013 und zur Eizellenspende von 2022 für die Legalisierung der Eizellenspende ausgesprochen.[4] Kritische Stimmen verweisen auf die medizinischen, sozialen und psychischen Risiken für die Mutter, Eltern, das Kind und die Spenderin und sprechen sich entweder gegen fortpflanzungsmedizinische Massnahmen allgemein oder gegen die Eizellenspende im besonderen aus. Die EVP hat kurz nach der Ankündigung des Gesetzesvorhaben dem Bundesrat «Blauäugigkeit» und die Legalisierung der «körperlichen Ausbeutung der Frau» vorgeworfen und gegebenenfalls das Referendum angekündigt.[5]
Die Implantierung von gespendeten Keimzellen stellt ein breit angewendetes und erfolgreiches Verfahren dar, um die Unfruchtbarkeit (Infertilität) eines Paares zu überwinden: die Samenspende bei einer Unfruchtbarkeit des Mannes, die Eizellenspende bei einer Infertilität der Frau. Die gespendeten Zellen werden mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation (IVF) vereinigt und anschliessend in die Gebärmutter der Frau transferiert. Für die künstliche Befruchtung kommen grundsätzlich Samen- Eizellen-, kombinierte Samen- und Eizellen sowie Embryonen infrage. Während die Samenspende seit Mitte des 19. Jahrhunderts angewendet wird (homologe Insemination = Samenspende des Partners), wurde 1984 das erste Kind nach einer Eizellenspende (egg sharing) geboren. Weil in der Schweiz derzeit nur die Samenspende erlaubt ist, profitieren von diesen Infertilitätsbehandlungen ausschliesslich Paare, bei denen der Mann unfruchtbar ist. Bei einer Unfruchtbarkeit der Frau ist sie resp. das Paar gezwungen, entweder auf ein eigenes Kind zu verzichten oder für eine Fruchtbarkeitsbehandlung ins Ausland zu gehen. Eine Studie von 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass bei 82,17% der im Ausland durchgeführten fortpflanzungsmedizinischen Behandlungen gespendete Eizellen implantiert wurden,[6] wobei die tatsächlichen Zahlen weit höher liegen dürften.
Die Ungleichbehandlung von Samen- und Eizellenspende führt zu ungleichen Möglichkeiten von Frauen und Männern, ihre Unfruchtbarkeit zu überwinden. Indikationen für eine Eizellenspende sind eine «frühzeitige Ovarialinsuffizienz [ausbleibendes Heranreifen der Eibläschen in den Eierstöcken] (die natürlich auftreten oder die Folge eines chirurgischen Eingriffs, einer Chemo- oder einer Strahlentherapie sein kann), Anomalien bei eigenen Eizellen, das Risiko der Übertragung einer genetischen Krankheit, eine früh einsetzende Menopause (z. B. mit 40 Jahren), wiederholte erfolglose Versuche der Befruchtung mittels IVF oder eine ‹geteilte Mutterschaft›.»[7] Im Gegensatz zur Samenspende macht die Eizellenspende medizinische Eingriffe nötig, die physisch und psychisch belastend, unter Umständen schmerzhaft und mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind. Wie bei der Samenspende gehen der Eizellenspende eine umfassende Aufklärung, persönliche Abklärungen und eingehende medizinische und genetische Untersuchungen der Spender:innen und der gespendeten Zellen (auf der Grundlage internationaler Richtlinien) voraus. Die Gewinnung von Eizellen erfordert einerseits die Gabe von Hormonen zur Stimulierung der Eierstöcke (damit mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen) und andererseits einen invasiven Eingriff zur Entnahme der Eizellen (durch die Vagina unter Ultraschall mit Schmerzbehandlung, Lokalanästhesie oder kurzer Vollnarkose).
In seltenen, aber nicht auszuschliessenden Fällen können im Behandlungsverlauf unerwünschte Nebenwirkungen und Komplikationen auftreten, etwa leichte Nebenwirkungen der Hormonbehandlung und eine Überstimulation der Eierstöcke (Ovarielles Überstimulationssyndrom, OHSS 1–2%)[8] oder Blutungen, Infektion, Anästhesieprobleme und Organverletzungen durch den chirurgischen Eingriff (Risiko <1:1000).[9] Kaum untersucht sind bisher die Langzeitfolgen der Eizellenspende. US-amerikanische Untersuchungen berichten von Eizellenspenderinnen, bei denen nach der Spende eine begrenzte oder unbefristete Unfruchtbarkeit aufgetreten ist. Ebenso fehlen Langzeituntersuchungen zum Risiko hormonabhängiger Tumore durch die hormonelle Stimulation.[10]
Sind die gewonnenen Eizellen genetisch unauffällig, erfolgt eine Befruchtung mit IVF und anschliessend der Embryonentransfer in die Gebärmutter. Dafür muss sich auch die Wunschmutter einer Hormonbehandlung unterziehen. Schwangerschaftsrisiken bestehen aufgrund intrinsischer und externer Faktoren. Zu den externen Faktoren gehört das statistisch höhere Alter von Frauen, die eine Eizellenspende in Anspruch nehmen. Spätere Schwangerschaften sind grundsätzlich mit Risiken verbunden, etwa «Bluthochdruck und von Schwangerschaftsdiabetes, ein niedriges Geburtsgewicht des Neugeborenen und ein um bis zu 50% erhöhtes Risiko einer Totgeburt».[11] Darüber hinaus sind nach IVF-Behandlungen Mehrlingsschwangerschaften nach wie vor nicht ausgeschlossen. Mit der Eizellenspende verbundene intrinsische Faktoren sind «ein höheres Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft […] (wie etwa Bluthochdruck, Präeklampsie [Bluthochdruck aufgrund einer vermehrten Eiweissausscheidung], allgemeine geburtshilfliche Notfälle), [… sowie] ein höheres Risiko für Frühgeburten».[12] Bisher liegen kaum repräsentative Untersuchungen vor zur Gesundheit von Personen, die mit Hilfe von fortpflanzungsmedizinischen Massnahmen geboren wurden.
Eine Schwangerschaft und Geburt nach einer Eizellenspende ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden, die über die allgemeinen Schwangerschafts- und Geburtsrisiken, über die mit IVF verbundenen Risiken sowie die Risiken bei einer Samenspende hinausgehen.[13] Die medizinische Beurteilung der mit der spezifischen Zeugung verbundenen Risiken einer Schwangerschaft und Geburt muss auf Grundlage wissenschaftlicher Forschung, medizinischer Standards und Richtlinien medizinisch, rechtlich und ethisch sorgfältig abgewogen werden mit dem Wunsch und den Chancen für Frauen, trotz ihrer Unfruchtbarkeit schwanger zu werden und ein Kind zu gebären.
Zu den schützenswerten persönlichen Freiheitsrechten (Art. 10 Abs. 2 BV) gehören alle Freiheiten, die wesentlich sind für die Entfaltung der Persönlichkeit. Gemäss Bundesgericht stellt «der Wunsch nach Kindern eine elementare Erscheinung der Persönlichkeitsentfaltung dar[…]. Kinder zu haben und aufzuziehen bedeutet für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens, und ungewollte Kinderlosigkeit wird von den Betroffenen häufig als schwere Belastung erlebt. Das gilt für alle Personen, die aus organischen Gründen keine Kinder haben können oder für die eine natürliche Zeugung wegen genetischer Belastung oder angesichts gesundheitlicher Risiken für die Kinder nicht verantwortbar erscheint. Die Belastung trifft Mann und Frau in vergleichbarer Weise.»[14] Die Inanspruchnahme fortpflanzungsmedizinischer Massnahmen wird grundsätzlich in Bundesverfassung (Art. 119 Abs. 2 lit. c BV) geregelt. Sie beschränkt deren Anwendung auf den Zweck, dass eine Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit nicht anders behoben werden kann. Darüber hinaus dürfen die Verfahren nicht zur Erzeugung bestimmter Eigenschaften beim Kind oder für Forschungszwecke angewendet werden. Ausdrücklich verboten werden die Embryonenspende und Leihmutterschaft. Das Verbot der Eizellenspende auf Gesetzesebene (Art. 4 FMedG) führt zu einer schwerwiegenden Ungleichbehandlung der Unfruchtbarkeit von Männern und Frauen im schweizerischen Recht. Frauen ist eine Behandlung mit gespendeten Eizellen untersagt, obwohl geeignete und in vielen Ländern erfolgreich eingesetzte medizinische Massnahmen zur Verfügung stehen. Mit dem Verbot der Eizellen-, Embryonenspende und Leihmutterschaft verfolgt der Gesetzgeber zwei wesentliche Ziele: (1.) die abstammungsrechtliche Klarheit durch die Verhinderung einer Aufspaltung der Mutterschaft und (2.) den Schutz des Kindeswohls.
(1.) «Das Verfahren der Eizellenspende rüttelt am Grundsatz mater semper certa est [Die Mutter ist immer gewiss]. Zwar gibt es seit jeher Kinder, die sowohl über eine biologische, als auch über eine soziale Mutter verfügen, die nicht identisch sind, die Spaltung zwischen der biologischen und der genetischen Mutterschaft allerdings ist eine Erfindung der Fortpflanzungsmedizin.»[15] Das Abstammungsrecht definiert: Die Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat (vgl. Art. 252 Abs. 1 ZGB), und der Vater der Ehemann der Mutter von den in der Ehe geborenen Kindern (vgl. Art. 255 Abs. 1 ZGB), solange die Vaterschaft nicht gerichtlich widerlegt wird (vgl. Art. 256ff. ZGB).[16] Das zuordnungsrechtliche Kriterium der Geburt gilt prinzipiell und unabhängig davon, ob der rechtliche und soziale Vater auch der genetische Vater und die rechtliche, biologische und soziale Mutter auch die genetische Mutter ist. Die Ungleichbehandlung von Mutter und Vater wird in der Botschaft zum FMedG von 1996 damit begründet, «dass die Beziehung zwischen der schwangeren Frau und dem in ihr heranwachsenden Keimling intensiver und damit eher geeignet sei, seelische Konflikte auszulösen, als bei der Samenspende die Beziehung zwischen dem sozialen Wunschvater und dem später von der Frau geborenen Kind. Das Wissen, genetisch ein fremdes Kind auszutragen, könne sich während der Schwangerschaft nachteilig auswirken.»[17]
(2.) Darüber hinaus könne die Aufspaltung der Mutterschaft das Kindeswohl gefährden. Betont wurde, «dass die einzige genetische Sicherheit des Menschen, nämlich seine eindeutige Beziehung zur Mutter, für die Identitätsfindung eines Kindes fundamental sei. Das so verstandene Kindeswohl sei letztlich für das Verbot der Eizellenspende massgeblich, denn im Zweifel darüber, ob eine bestimmte Methode der Identitätsfindung des Kindes und somit dem Kindeswohl abträglich sei, müsse man sich gegen die moderne Reproduktionsmedizin entscheiden. Zwar sei die Bindung einer Mutter, die eine gespendete Eizelle erhalten habe, zu ihrem Kind eng, doch nicht die Bindung der Mutter zum Kind, sondern das Kindeswohl müsse massgebend sein.[18]
Der Bundesrat folgt neu der Einschätzung der Motion der WBK-NR «Kinderwunsch erfüllen, Eizellenspende für Ehepaare legalisieren», deren Mehrheit sich «für eine Anpassung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) an den medizinischen Fortschritt und an die aktuellen sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus[spricht]. Sie erachtet eine Lockerung der Schweizer Bestimmungen deshalb als notwendig, um verheirateten Paaren mit Kinderwunsch in der Schweiz den Zugang zur Eizellenspende zu ermöglichen. Sie geht davon aus, dass so weniger Paare für eine entsprechende Behandlung ins Ausland ausweichen müssen und der ‹Fortpflanzungstourismus› daher eingedämmt wird. Eine Legalisierung der Eizellenspende hätte zudem zur Folge, dass die Ehepaare nicht mehr je nach Grund der Unfruchtbarkeit unterschiedlich behandelt werden. Nach Auffassung der Kommission gibt es keinen Grund, Paaren, bei denen die Unfruchtbarkeit auf die Frau zurückzuführen ist, den Zugang zur Reproduktionsmedizin zu verwehren, während Paaren, bei denen die Unfruchtbarkeit vom Mann ausgeht, der Zugang zum fortpflanzungsmedizinischen Verfahren der Samenspende gestattet ist.»[19]
Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) hat sich in ihrer ethischen Studie «Ehe, Elternschaft, Kinder. Was folgt aus der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare?» von 2022 auch zu ethischen Aspekten der Fortpflanzungsmedizin geäussert.[20] Den Hintergrund bildete die Frage nach den Möglichkeiten von gleichgeschlechtlichen Ehepaaren zur Fortpflanzung und Familiengründung, die in unterschiedlicher Weise auf reproduktionsmedizinische Unterstützung angewiesen sind. Die folgenden Bemerkungen setzen die dortigen Ausführungen voraus.
Bioethische Diskussionen in Kirche und Theologie manifestieren sich zwar üblicherweise in Urteilen über konkrete fortpflanzungsmedizinische Massnahmen, entzünden sich aber häufig an deren Grundlagen und Voraussetzungen. Im Zentrum solcher Fundamentalkontroversen stehen Vorstellungen der prokreativen oder reproduktiven Selbstbestimmung. Der Begriff «reproduktive Autonomie»[21] stammt aus der feministischen Ethik und meint ursprünglich die negative Freiheit der Frau, von niemandem gezwungen oder daran gehindert werden zu dürfen, ein eigenes Kind auszutragen. Die negative reproduktive Autonomie hängt aufs engste zusammen mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Viel umstrittener als das negative Recht auf Freiheit von Fremdbestimmung ist ein positives Anspruchsrecht darauf, medizinische Unterstützung zur Verwirklichung eines Kinderwunsches zu erhalten oder zumindest nicht an der Inanspruchnahme fortpflanzungsmedizinischer Massnahmen gehindert zu werden. Das Recht auf reproduktive Autonomie meint kein Recht auf ein eigenen Kind, weil es niemals Rechte auf Personen geben kann, sondern verlangt im minimalen Fall, dass der Staat Personen nicht daran hindert, anerkannte und legitime Massnahmen zu ergreifen, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.
Die Idee reproduktiver Selbstbestimmung bricht mit traditionellen Vorstellungen der Fortpflanzung und Geschlechterordnung. Die äusserste Gegenposition dazu wäre eine Haltung, die die Bedingungen, Umstände und Gestaltung personaler Existenz ausschliesslich an eine göttliche oder übermenschliche Instanz delegiert. Das persönliche Lebensschicksal wird vollständig als Resultat göttlicher oder übermenschlicher Bestimmungen und Entscheidungen betrachtet, die auch die gelingende und ausbleibende Fortpflanzung betreffen. Aus religiös-moralischer Sicht überbietet der geforderte Gottesgehorsam den Kinderwunsch und spricht ihm einen Anspruch und ein Recht auf Verwirklichung ab. Das gilt sowohl negativ (Verbot der Empfängnisverhütung und des Schwangerschaftsabbruchs) als auch positiv (Verbot fortpflanzungsmedizinischer Unterstützung). Im Blick auf die freiheitliche Ordnung der Gesellschaft wäre eine solche Haltung nur legitim, wenn sie (1.) nicht die Verantwortung bestreitet für die Folgen, die sich aus dieser Haltung für die betroffenen Personen und die Gesellschaft ergeben, (2.) geschlechtsdiskriminierende Konsequenzen ausschliesst, die dadurch entstehen, dass die Eizellen-, nicht aber die Samenspende unter ein religiöses Verdikt fallen, und (3.) als persönliche oder gemeinschaftliche Überzeugung keinen Anspruch auf allgemeine Rechtsgeltung erhebt.
Die konstruierte Gegenposition zur reproduktiven Selbstbestimmung ist selbstwidersprüchlich, weil sie menschliche Fortpflanzung gänzlich von den Kategorien personaler Freiheit, personalem Handeln und personaler Verantwortung abkoppelt. Sie verwechselt göttlichen Segen mit Handlungsresultaten und unterläuft die Differenz zwischen dem Handeln von Personen und dem Segen, der als qualifizierendes Ereignis über das Handeln hinausgeht und es in einen religiösen Zusammenhang rückt. Das Handeln bleibt nicht bei sich, sondern zielt auf die Verbindung von Gemachtem und Gegebenem als segensreiches Ereignis und Erleben. Die Enge theologischen Denkens zeigt sich nicht zuletzt darin, dass und wie es die Fortpflanzungsmedizin unter eine moralisch motivierte Geist- und Segensquarantäne (ge)stellt (hat). Es gibt keine ernsthafte biblisch-theologische Begründung, die eine verantwortungsvolle reproduktive Selbstbestimmung von Geschöpfen für Geschöpfe ausschliesst. Deshalb stellt sich die umgekehrte Frage, was aus der christlichen Hoffnung in der Fortpflanzungsmedizin für ein unterstützendes Handeln folgt.
Die Diskussion über die Eizellenspende fokussiert seit dem Erlass des FMedG auf drei Problemfelder: (1.) die Entfernung von der «natürlichen menschlichen Fortpflanzung», (2.) die Nachteile einer aufgespaltenen Mutterschaft für die Identitätsentwicklung des Kindes und (3.) die Gefahr einer Instrumentalisierung und Ausbeutung des weiblichen Körpers.[22]
Die medizinische Sicht auf die Samen- und Eizellenspende hat die ungleichen gesundheitlichen Risiken und die ungleiche Instrumentalisierungs- und Ausbeutungsgefahr für die spendenden Personen deutlich gemacht. Beide Aspekte haben den Gesetzgeber in der Vergangenheit dazu bewogen, eine massive Ungleichbehandlung im Umgang mit männlicher und weiblicher Infertilität zu akzeptieren und rechtlich festzuschreiben. Die von Anfang an umstrittene Konsequenz soll nun durch eine veränderte Priorisierung korrigiert werden: Die massive Ungleichbehandlung der Infertilität von Männern und Frauen kann nur gerechtfertigt werden, wenn (1.) die Eizellenspende in einem über die Samenspende schwerwiegend hinausgehenden Mass das Kindeswohl und die Eltern/Mutter-Kind-Beziehung gefährdet und (2.) die Instrumentalisierungs- und Ausbeutungsgefahr für die Frau und ihren Körper nicht anders als durch ein Verbot zuverlässig abgewendet werden kann.
(1.) Die Eltern- und Mutter-Kind-Beziehung, die kindliche Entwicklung und das Kindeswohl hängen ab von komplexen und kumulativ wirkenden Faktoren sowie ihrer Bewertung und Gewichtung. Entsprechend schwierig ist es, objektive Kriterien und Beurteilungsmassstäbe zu definieren und daraus rechtliche Bedingungen abzuleiten. Untersuchungen zur Mutter-Kind-Beziehung und der Entwicklung von Kindern, die mit Hilfe einer Eizellenspende gezeugt wurden, zeigen im Vergleich zu IVF-Schwangerschaften einige Tendenzen auf:[23] Die mütterliche Beziehung zum Kind unterscheidet sich in beiden Gruppen grundsätzlich nicht. Die Beobachtungen einer geringeren Sensitivität, einer weniger strukturierten Interaktionen der Mütter mit ihren Säuglingen und einer schwächeren Responsivität der Säuglinge gegenüber ihren Müttern bewegen sich völlig im normalen Bereich. Die langfristige Entwicklung zeigt eine besonders innige Mutter-Kind-Beziehung der Eizellspenden-Gruppe in den ersten Jahren, die ab dem siebten Lebensjahr des Kindes vor allem dort abnahm, wo die Eltern nicht offen mit der Zeugungsmethode umgingen. Viele Mütter erleben einen höheren Stresslevel und Unsicherheiten, die Vorstellung eines Kontaktes ihres Kindes zur Eizellenspenderin empfanden manche Mütter als Bedrohung.
«Kinder, die vor dem siebten Lebensjahr über ihre genetische Herkunft informiert wurden, berichteten über bessere Beziehungen zu ihren Müttern und weniger emotionale Probleme.»
Kinder aus der Eizellenspende-Gruppe bewerteten ihre Beziehung zur Mutter als wärmer und positiver gegenüber Kindern aus der IVF-Gruppe. Kinder beider Gruppen unterschieden sich nicht im Blick auf ihre psychische Entwicklung und ihre psychischen Belastungen. Die offene Kommunikation über die Zeugungsmethode hatte einen positiven Effekt auf das Selbstbild und die psychologische Stabilität des Kindes. Kinder, die vor dem siebten Lebensjahr über ihre genetische Herkunft informiert wurden, berichteten über bessere Beziehungen zu ihren Müttern und weniger emotionale Probleme. Das Wissen der Kinder um ihre Zeugung hatte keine negativen Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung, allerdings blieben Unsicherheiten bei den Eltern bestehen. Insgesamt wurden keine signifikanten Unterschiede in der Eltern- bzw. Mutter-Kind-Beziehung sowie bei der Entwicklung und psychischen Anpassung von Kindern festgestellt, die durch Eizellenspende gezeugt wurden. Die beobachteten Differenzen sind eher auf die familiäre Kommunikation als auf die genetische Abstimmung zurückzuführen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die gesellschaftlichen Erwartungen und die damit verbundenen elterlichen Rollenverständnisse.
«Es gibt keine Hinweise auf spezifische Unterschiede zwischen der Vater-Kind- und Mutter-Kind-Beziehung, die die Unbedenklichkeit der Samenspende bei gleichzeitigem Verbot der Eizellenspende begründen würden.»
Es gibt keine Hinweise auf spezifische Unterschiede zwischen der Vater-Kind- und Mutter-Kind-Beziehung, die die Unbedenklichkeit der Samenspende bei gleichzeitigem Verbot der Eizellenspende begründen würden. Die unterschiedliche Gewichtung der genetischen Abstammung des Kindes von Mutter und Vater verkennt, dass die Eizellenspende die biologische Mutterschaft nicht verändert, während die Samenspende die biologische Verbindung zwischen Vater und Kind aufgelöst. Verständlich wird die widersprüchliche Beurteilung vor dem historischen Hintergrund, dass vor der Einführung der DNA-Tests Ende der 1980er Jahre die genetische Vaterschaft nicht eindeutig, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch eine serologische Untersuchung und später durch HLA-Typisierung bestimmt werden konnte. In der unterschiedlichen Relevanz der genetischen Abstammung spiegelt sich kulturelle Prägungen wider, die auf Wissensgrenzen beruhen, die sich durch die jüngeren Entwicklungen in Genetik und Gentechnologie enorm verschoben haben und dem genetischen Wissen seither eine enorme Bedeutung beimessen.
(2.) Die über der Samenspende weit hinausgehenden Schutzanforderungen für die Eizellenspende rechtfertigen ipso facto keine Ungleichbehandlung der Unfruchtbarkeit bei Frauen und Männern. Die Begründung des Verbots der Eizellenspende mit der Instrumentalisierungs- und Ausbeutungsgefahr von Frauen, wie sie aktuell von der EVP vorgebracht wird, hat einen kontraintuitiven Effekt. Denn ein Beibehalten des Verbots würde das Instrumentalisierungs- und Ausbeutungsproblem nicht lösen, sondern ins Ausland verschieben, wohin Frauen und Paare aus der Schweiz für eine Eizellenspende gehen und wo kein Einfluss auf die für den Schutz notwendigen Prüfungs-, Kontroll- und Sanktionsinstanzen genommen werden kann. Weichen Frauen und Paare dabei in Länder mit – gegenüber den schweizerischen Rechtsstandards – geringeren Schutzbestimmungen aus, führt das Verbot der Eizellenspende faktisch zu einer Vergrösserung der Instrumentalisierungs- und Ausbeutungsgefahr. Das Verbot ist nicht nur eine Scheinlösung, sondern unbestreitbar ein Problemverschärfer. Ein weiterer Negativeffekt des Verbots betrifft das Recht des Kindes auf das Wissen um seine Herkunft. Der im schweizerischen Fortpflanzungsmedizinrecht zentralen Rechtspflicht genügen viele Länder aufgrund der dort Gesetzgebung, fehlender Datenbanken und unzureichenden Registrierungsstrukturen nicht. Deshalb sind die Rechte des Kindes bei einer Eizellenspenden-Behandlung im Ausland häufig nicht gewahrt. Deshalb folgt aus den berechtigten Forderungen nach wirksamen Schutzstandards für die Eizellenspenderinnen und nach strikter Einhaltung der Kinderrechte kein Verbot, sondern umgekehrt die Legalisierung der Eizellenspende in der Schweiz.
Reproduktive Selbstbestimmung und das Recht auf die Inanspruchnahme fortpflanzungsmedizinischer Unterstützung bilden Eckpfeiler des Freiheits- und Möglichkeitsraums für Fortpflanzung, Elternschaft und Familie in liberalen Gesellschaften. Sie präsentieren weder moralische und religiöse Überzeugungen oder Lehren, noch beanspruchen sie deren Status und orientierende Autorität für eine Person oder soziale Gemeinschaft. Deshalb wäre es ein Kategorienfehler, moralische und religiöse Überzeugungen als staatliches Recht durchsetzen zu wollen. Es besteht lediglich der negative Anspruch gegenüber Staat und Recht darauf, moralische und religiöse Überzeugungen nicht willkürlich zu diskriminieren, einzuschränken oder zu verbieten. Umgekehrt greift das Recht in moralische und religiöse Praktiken ein, wenn diese die garantierten Freiheiten und Rechte der Person missachten und verletzen. Aus kirchlich-theologischer Sicht steht Gott über Staat und Recht (Apg 5,29), aber keine Kirche, religiöse- oder moralische Gemeinschaft kann ein Recht über die Person beanspruchen.
«Aus kirchlich-theologischer Sicht steht Gott über Staat und Recht (Apg 5,29), aber keine Kirche, religiöse- oder moralische Gemeinschaft kann ein Recht über die Person beanspruchen.»
Staatliches Recht beschränkt sich auf die Definition und Feststellung der Legalität des Handelns und fragt nicht nach seiner moralischen Legitimität. Bildlich gesprochen ist dem Staat die moralische Kleidung zu eng und der Moral die rechtliche Kleidung zu weit. Die Konfektionsasymmetrie entspricht dem liberal-rechtsstaatlichen Verhältnis von moralischen Überzeugungen, die frei gewählt und vertreten werden müssen, und staatlichem Recht, das diese Freiheit mit Gewaltmitteln durchgesetzt, schützt und verteidigt. Mit der Transformation von moralischen Überzeugungen in geltendes Recht ginge die Freiheit, andere moralische Überzeugungen zu haben, ebenso verloren, wie die Freiheit der verrechtlichen Moral, deren Zustimmung zur staatlich sanktionierten Pflicht würde.
Aus ethischer Sicht zentral ist die sorgfältige Abklärung und Abwägung der Chancen und Risiken bei der Zeugung mit Hilfe gespendeter Eizellen. Ein unerfüllter Kinderwunsch lässt sich nicht mit den medizinischen Risiken der Eizellenspende, der Schwangerschaft und der Entwicklung eines zukünftigen Kindes verrechnen. Für die Fortpflanzung gilt grundsätzlich: «Im Wunsch nach Fortpflanzung ist Freiheit und höchste Unfreiheit zugleich begriffen, denn die Zeugenden verpflichten sich selbst – als Eltern – zu einer lebenslangen Verantwortung und den/die Gezeugte/n – als Tochter oder Sohn – zu einer lebenslangen Bindung. Diese radikale Form der Unterwerfung eines Menschen unter ein zugleich leibliches und soziales Schicksal wird seitens der Eltern durch ein Höchstmass an menschlicher Zuwendung und Verantwortung moralisch kompensiert. Beim Kinderwunsch zeigt sich die Dialektik des Wunsches in der Entzogenheit des Angangs der Geburt.»[24] Die angesprochenen Risiken und Herausforderungen im Rahmen der Eizellenspende verlangen einen tragfähigen Reflexions- und Entscheidungsprozess. Gleichzeitig muss er in ein angemessenes Verhältnis zur unauflösbaren Spannung von Glück und Wagnis jeder Schwangerschaft, Elternschaft, Kindesentwicklung und Familie gerückt werden. Einerseits gibt es keine Fortpflanzung und Familie ohne Risiken, andererseits konfrontiert das vertiefte Wissen über die fortpflanzungsmedizinischen Risiken die betroffenen Personen mit herausfordernden Urteils- und Entscheidungssituationen, für die es keine generalisierten Regeln geben kann.
Die ethische Frage, welche Risiken für die Erfüllung eines Kinderwunsches eingegangen werden dürfen oder sollten, hat mehrere Ebenen: (1.) Das Recht legt die Bedingungen fest, unter denen fortpflanzungsmedizinische Massnahmen in Anspruch genommen werden dürfen und welche rechtlichen Pflichten damit verbunden sind (konkret etwa die Rechte der Eizellenspenderinnen und die Rechte des Kindes). (2.) Die Medizin muss in jedem Einzelfall auf fachlicher Grundlage die Grenze bestimmen zwischen den vertretbaren Risiken, die in Kohärenz mit dem medizinethischen Wohltun-Prinzip eingegangen werden dürfen, und den nicht zu verantwortenden Risiken, die mit dem medizinethischen Nichtschaden-Prinzip kollidieren würden. Medizinische Behandlungen, die den Standards und Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften zuwiderlaufen, dürfen nicht durchgeführt werden, wobei diese Vorgaben Spielräume festlegen, und keine eindeutigen und trennscharfen Urteile vorgeben. (3.) Die Entscheidung der möglichen Eizellenspenderin, der Wunschmutter und der Wunscheltern setzt eine vollständige, transparente und nichtdirektive Information und Beratung von Fachpersonen voraus, die die betroffenen Personen zu einer informierten und begründeten Entscheidung befähigen sollen. Die Fachexpertise liefert die relevanten sachlichen Grundlagen und Aspekte für den Urteils- und Entscheidungsprozess, die Entscheidung erfolgt im Horizont der eigenen Wertmassstäbe, moralischen Überzeugungen und kulturellen Orientierungen der betroffenen Personen. (4.) Eine Frau mit einer Unfruchtbarkeit trifft die Entscheidung für oder gegen eine Zeugung mit Eizellenspende selbstbestimmt, aber weder für sich allein noch im Blick auf eine nur sie betreffende Zukunft. Ihre Entscheidungsautonomie über den eigenen Körper bildet einen Aspekt von relationaler Autonomie, die auf den Partner und das Wunschkind bezogen ist.
Kirchen und theologische Ethik beteiligen sich an gesellschaftspolitischen Debatten und nehmen ihre öffentliche Verantwortung wahr. Die evangelisch-reformierten Kirchen verstehen ihren Beitrag im Sinn einer «einladenden Ethik»,[25] die keinen höheren Standpunkt, aber alternative und ergänzende Perspektiven behauptet. Ein zentraler Impuls ihres Selbstverständnisses und ihrer Botschaft besteht in der gelingenden Praxis mitmenschlicher, lebensförderlicher Freiheit. Im Blick darauf analysieren, prüfen und beurteilen sie politische, gesellschaftliche und soziale Entwicklungen, Zustände und Verhältnisse. Was folgt aus dieser Perspektive für die Frage der Legalisierung der Eizellenspende? Die kirchliche Sicht bringt keine medizinische und juristische Expertise ein, sondern betrachtet das fortpflanzungsmedizinische Verfahren aus der Perspektive der betroffenen Personen. Kann die Eizellenspende einen Beitrag zu einer mitmenschlichen, lebensbefördernden Freiheitspraxis leisten? Dafür sprechen (1.) die Stärkung der Verwirklichung des Rechts auf eigene Kinder (Art. 10 Abs. 2 BV); (2.) die Korrektur einer prekären rechtlichen Ungleichbehandlung der Unfruchtbarkeit von Männern und Frauen,(3.) die Durchsetzung des Schutzes der Rechte der Frauen, die Eizellen spenden wollen, (4.) die Garantie des Rechts des Kindes auf das Wissen über seine Abstammung und (5.) das Ende der Nötigung für Frauen mit einer Unfruchtbarkeit, sich im Ausland behandeln lassen zu müssen. Kritisch zu bedenken sind (1.) die medizinischen Risiken für Eizellspenderinnen, (2.) die medizinischen Risiken für die Schwangerschaft der Frau und das Kind bei einer Zeugung durch Eizellenspende, (3.) die Frage einer verantwortungsvollen Altersgrenze für diese fortpflanzungsmedizinische Massnahme und (4.) der weiter Umgang mit den zwar aktuell nicht zur Diskussion stehenden, aber eng damit verbundenen Verfahren der kombinierten Samen- und Eizellenspende sowie der Embryonenspende.
Herausfordernde, existenzielle und häufig auch dilemmatische Grundentscheidungen des Lebens verbinden die Fortpflanzungsmedizin mit der Seelsorge. Kirchliche Seelsorge korrigiert die öffentliche Wahrnehmung der Kirchen, die zumindest in der Vergangenheit eher als Gegnerinnen neuer Technologien aufgetreten sind, denn als offene und reflektierende Begleiterinnen. Die Fokussierung auf die technologischen Gefahren riskierte, die Personen, die ihre Hoffnungen auf diese Technologien setzten, aus dem Blick zu verlieren. Kirchliche Seelsorge demonstriert die Verbindung zwischen der medizinisch-assistierten Fortpflanzung und dem kirchlichen Anliegen, Personen von Generation zu Generation, in allen Lebenslagen, von der Geburt, über das Heranwachsen, die Partnerschaft und Familiengründung bis zum Tod zu begleiten. Dieser Anspruch setzt voraus, sich auf die konkrete Lebenswirklichkeit der Person einzulassen.
«Für eine Frau mit einer Infertilität, die mit ihrem Partner überlegt, ihren gemeinsamen Kinderwunsch mit Hilfe einer Eizellenspende zu verwirklichen, ist eine kirchliche Stellungnahme über die Eizellenspende belanglos.»
Für eine Frau mit einer Infertilität, die mit ihrem Partner überlegt, ihren gemeinsamen Kinderwunsch mit Hilfe einer Eizellenspende zu verwirklichen, ist eine kirchliche Stellungnahme über die Eizellenspende belanglos. Weiter führt ein Blickwechsel auf die Eizellenspende, der zu einer authentischen, der Wirklichkeit und dem Wunsch des Paares entsprechenden Entscheidung beitragen kann.
Eine authentische Entscheidung bedeutet zunächst eine «Entmedikalisierung» der Entscheidungssituation, (1.) weil es nicht um die Lösung eines medizinischen Problems, sondern um die Überwindung der Hindernisse für eine Familiengründung geht, (2.) weil sich eine medizinische Risikoanalyse nicht in das Entscheidungsdilemma des Paares zwischen Kinderwunsch und Gesundheitsrisiken übersetzen lässt und (3.) weil für die Entscheidungsfindung des Paares medizinethische Fragen eine geringere Bedeutung haben, als ihnen in medizinischen Dilemmasituationen reflexartig attestiert wird. In den Vordergrund rückt vielmehr der Umgang mit dem Erleben des Spannungsverhältnisses zwischen Wunsch, Verwirklichungsrisiken und Hoffnung.
Die Autonomie des Kinderwunsches wird konfrontiert mit der Heteronomie durch die körperliche Konstitution, das Angewiesensein auf medizinische Assistenz, den Altruismus der Eizellenspenderin und durch die unabsehbare Heteronomie der angestrebten Elternschaft. Diese Konstellation entlarvt jeden Versuch einer rationalen Risikokalkulation als Illusion. Vom Ende her gedacht, ist die Geburt «radikale Kontingenz und radikale Determiniertheit» und Natalität die «existenzielle Situation des Kindes zwischen radikaler Vorher- und Fremdbestimmung einerseits und radikaler Offenheit andererseits».[26] Was für das erstrebte Ergebnis der Geburt gilt, trifft unter fortpflanzungsmedizinischen Bedingungen auch auf Zeugung und Schwangerschaft zu. Auf irritierende Weise kehrt an dieser Stelle das Unverfügbare zurück, das traditionell der «Natürlichkeit» der Fortpflanzung zugerechnet wurde, und auf dessen Bemächtigung die Heilsversprechen moderner Medizin aufbauen. Tatsächlich handelt es sich bei den medizinischen Risiken der Fortpflanzungsmedizin nicht nur um ambivalente und nicht kalkulierbare Handlungsfolgen, sondern auch um die nicht fixierbare Grenze zwischen den reproduktionsmedizinisch zivilisierten Zonen der Fortpflanzung in ihrer unkontrollierten und unkontrollierbaren Umgebung. In den zivilisierten Zonen gelten Expertise und Prognose, in den unkontrollierbaren Zonen die Hoffnung und das Wagnis. Im einen Bereich zählen Wissen, rationale Gründe und Argumente, im anderen Bereich die Sehnsucht, Erwartung und Gewissheit ohne wissenschaftliches Netz und evidenzbasierten doppelten Boden.
Beide Zonen lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, in ihnen wird nicht die gleiche Sprache gesprochen, sie können sich deshalb nichts sagen, obwohl sie untrennbar zusammengehören. Gemeinsam bilden sie das Ereignis von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt. Der biblische Ausdruck dafür lautet «Wunder». Wunder zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich weder befriedigend erklären noch wissenschaftlich-technisch und moralisch einfangen lassen. Das Moment der Entzogenheit in der Fortpflanzung ist und bleibt das Inkommensurable des Kinderwunsches und seiner Verwirklichung durch Zeugung und Geburt. Für den Zusammenhang fehlen einer säkularen Sprache weitgehend die Worte. Eine biblisch-theologische Sicht versucht erst gar nicht, die Lück zu schliessen, sondern vertraut darauf, dass der Schöpfer seine Schöpfung nicht sich selbst überlässt. Weil diese Botschaft in besonderer Weise zur Fortpflanzung und ihrer medizinischen Assistenz gehört, sollten Kirchen und Theologie ihre notorischen Vorbehalte aufgeben, mit der Präsenz von Gottes Geist in der Fortpflanzungsmedizin rechnen und Paaren in schwierigen Entscheidungssituationen Mut machen, neben einer verantwortungsvollen Medizin auch darauf zu vertrauen. Biologische Reproduktion ist ein gottgewollter und/oder instinktgeleiteter Selbstläufer, aber eine – im doppelten Sinn – humane Fortpflanzung und eine sich ihrer Möglichkeiten und Grenzen bewusste Fortpflanzungsmedizin kommen ohne «gute Hoffnung» und die Anerkennung des unverfügbaren Kerns von Zeugung und Geburt nicht aus.
[1] Vgl. Bundesamt für Gesundheit, Faktenblatt Fortpflanzungsmedizingesetz, Bern, 30. Januar 2025.
[2] Vgl. 21.4341 Motion Kinderwunsch erfüllen, Eizellenspende für Ehepaare legalisieren.
[3] Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum FMedG hatte die Amstad-Kommission in ihrem Expertenbericht von 1988 empfohlen, die Eizellenspende wie die Samenspende zu behandeln. Entgegen dem Verbot der Eizellenspende im Vorentwurf de EJPD von 1995, sprach sich die Mehrheit der vorbereitenden Kommission des Ständerats und dieser mit knapper Mehrheit gegen ein Verbot der Eizellenspende aus, während sich eine deutliche Mehrheit der nationalrätlichen Kommission dem Verbot im Vorentwurf anschloss; vgl. Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK), Die Eizellenspende. Ethische und rechtliche Erwägungen. Stellungnahme Nr. 41/2022, Bern, 16. Mai 2022, 10.
[4] Vgl. Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK), Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Ethische Überlegungen und Vorschläge für die Zukunft. Stellungnahme Nr. 22/2013, Bern, November 2013; dies., Eizellenspende.
[5] https://www.evppev.ch/newsartikel/blauaeugiger-bundesrat-evp-stellt-sich-gegen-eizellenspende.
[6] Vgl. Veronika Sigl et al., Transnationale reproduktive Mobilität aus der Schweiz. Gutachten verfasst im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit. Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung und Geographisches Institut, Universität Bern, Bern 2021.
[7] NEK, Eizellenspende, 5.
[8] Die Datenlage ist nicht einheitlich. Während die NEK, Eizellenspende, 6, einen Prozentsatz von <1 angibt, verweisen Isabelle Bartram/Taleo Stüwe, Medizinische Risiken der Eizellspende. Gutachten erstellt im Auftrag von biorespect, Basel 2022, 4, auf eine US-amerikanische Studie, die die Zahl von 1-2% nennt und eine US-amerikanische Befragung, in der 30% der Eizellspenderinnen angeben, eine milde bis schwere Form von OHSS erlebt zu haben, die bei 11,6% der Freuen einen Krankenhausaufenthalt oder einen invasiven medizinischen Eingriff nötig machten.
[9] Vgl. NEK, Eizellenspende, 6; vgl. Bartram/Stüwe, Risiken, 5.
[10] Vgl. Bartram/Stüwe, Risiken, 4f.
[11] NEK, Eizellenspende, 21.
[12] Ebd.; vgl. Bartram/Stüwe, Risiken, 7f.
[13] Vgl. ebd.
[14] BGE 119 Ia 460 E. 5°, 475; zit. n. Bernhard Rütsche, Rechtsgutachten zum Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG): Gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei einer Zulassung zur Eizellenspende, Luzern, 11. Juni 2023, 7 (Rz 14).
[15] Andrea Büchler, Die Eizellenspende in der Schweiz de lege lata und de lege ferenda. Rechtsgutachten verfasst im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit, Zürich, im November 2013, aktualisiert im Januar 2014, 6.
[16] Vgl. dazu EKS, Ehe, Elternschaft, Kinder. Was folgt aus der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare? Ethische Studien der EKS, Bern 2022, 23–25.
[17] BBI 1996 III 205, 254; zit. n. Rütsche, Rechtsgutachten 10 (Rz 23).
[18] AB 1997, 682 (Bieri); zit. n. Rütsche, Rechtsgutachten, 10 (Rz 23).
[19] 21.4341 n Mo. Nationalrat (WBK-NR). Kinderwunsch erfüllen, Eizellenspende für Ehepaare legalisieren, Bern, 22. August 2022, 3.
[20] Vgl. EKS, Ehe, bes. cp. 3 und 4.
[21] Vgl. Barbara Bleisch/Andrea Büchler, Kinder wollen. Über Autonomie und Verantwortung, München 2020, 37–46.
[22] Vgl. Büchler, Eizellenspende, 16.
[23] Vgl. Susan Imrie/Susan Golombok, Long-term outcomes of children conceived through egg donation and their parents: a review of the literature: Fertility and Sterility 110/2018, 1187–1193; Susan Imrie et al., Families Created by Egg Donation: Parent–Child Relationship Quality in Infancy: Child Development 90/2019, 1333–1349; Susan Imrie et al., Parent–child relationship quality and child psychological adjustment in families created using egg donation: children’s perspectives at age 5 years: Human Reproduction 37/2022, 499–509; Susan Imrie et al., A Longitudinal Study of Families Created Using Egg Donation: Family Functioning at Age 5. Journal of Family Psychology 37/2023, 1253–1265; Joanna Lysons et al., Families created via identity-release egg donation: disclosure and an exploration of donor threat in early childhood: RBMO 47(4)/2023, 1–9; Vasanti Jadva/Susan Imrie, Embryo donation: motivations, experiences, parenting, and child adjustment: Fertility and Sterility 119/2023, 11–14; Susan Golombok et al., A longitudinal study of families formed through third-party assisted reproduction: Mother-child relationships and child adjustment from infancy to adulthood: Developmental Psychology 59/2023, 1059–1073; Susie Bower-Brown et al., Biogenetic Kinship in Families Formed via Reciprocal IVF: ‹It Was [My Partner]’s Egg … But My Blood Flowed through Her›: Sociology 58/2024, 735–752.
[24] Katharina Beier/Claudia Wiesemann, Die Dialektik der Elternschaft im Zeitalter der Reprogenetik. Ein ethischer Dialog: DZPhil 58/2010, 855–871 (858).
[25] Vgl. Georg Plasger, Einladende Ethik. Zu einem neuen evangelischen Paradigma in einer pluralen Gesellschaft: KuG 51/2005, 126–156.
[26] Claudia Wiesemann, Natalität und die Ethik von Elternschaft: ZfPP 2/ 2015, 213–236 (218f.).
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