Was folgt aus der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
Ehe, Elternschaft und Familie sind aus evangelisch-reformierter Sicht Wirklichkeitsräume und Bewährungsfelder christlicher Freiheit und werfen aktuell in besonderer Weise bio- und fortpflanzungsmedizinischen Fragen auf. Die auch von den evangelisch-reformierten Kirchen begrüsste Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erweitert die bioethischen Fragen, was biotechnologisch und fortpflanzungsmedizinisch getan werden darf, um die Frage, wer Zugang zur medizinisch assistierten Fortpflanzung erhalten soll. Aus kirchlicher Sicht stehen damit die anthropologischen, schöpfungstheologischen und theologisch-ethischen Fundamente zur Diskussion.
Überwindung theologischer Reflexionsblockaden
Die ethische Studie Ehe, Elternschaft, Kinder beteiligt sich nicht an dem kirchlichen und theologischen Streit zwischen Tradition und Innovation, sondern entwickelt aus reformierter Perspektive einen bundestheologischen Zugang zu den aktuellen fortpflanzungsmedizinischen Diskussionen. Im Zentrum steht ein Verständnis von Familien- und Geschlechterverhältnissen im Anschluss an das biblisch bezeugte beziehungsstiftende Handeln Gottes, als Alternative zu traditionellen schöpfungstheologischen Positionen, die wesentlich biologisch argumentieren. Die Studie zielt nicht auf bioethische Antworten darauf, was getan und unterlassen werden sollte, sondern auf den Entwurf, die Begründung und Exploration eines reformiert-theologischen Horizontes, vor dem diese Fragen theologisch-ethisch sachgemäss und gewissenhaft diskutiert werden können. Damit verbindet sich eine diskriminierungskritischen Dekonstruktion und Überwindung theologischer Reflexionsblockaden und -engführungen von bestimmten, kirchlich dominierenden Deutungstraditionen.
Leben als Gabe Gottes
Die fortpflanzungsmedizinischen Optionen, durch Samen-, Eizell-, Embryonenspende und Ersatzmutterschaft die genetische, biologische und soziale Mutter-, Vater- und Elternschaft aufzuteilen, irritiert die traditionellen, auf biologischer Abstammung beruhenden Kinder-, Eltern- und Familienvorstellungen, die ungeachtet der realen Verhältnisse als Idealbilder wachgehalten werden. Eine wichtige Rolle kam und kommt dabei den Kirchen zu, die sich wesentlich auf traditionelle Geschlechterverhältnisse und eine schöpfungstheologisch begründete Reproduktionsmedizinkritik berufen. Die Studie schliesst an die biblisch-theologischen Vorgaben an, aber kehrt die Fragerichtung um: Was folgt aus dem schöpfungstheologischen Verständnis vom Leben als Gabe Gottes für die fortpflanzungsmedizinisch ermöglichte Eltern-, Mutter-, Vater und Kindschaft? Wie gehen medizinische Reproduktionstechniken und theologische Schöpfungshorizont zusammen? Wie wirkt der Schöpfergott in fortpflanzungsmedizinischen Entscheidungs- Handlungszusammenhängen? Was macht eine Person aus theologisch-ethischer Sicht zum Kind seiner Eltern und was macht Personen aus theologisch-ethischer Sicht zu Müttern, Vätern und Eltern? Wo begegnet im fortpflanzungsmedizinischen Zeitalter das Wunder von der Ankunft eines neuen Menschen in der Welt? Können wir mit der Biomedizin die biblischen Geschichten noch bewohnen oder haben wir selbst auf dem Regiestuhl der Schöpfung Platz genommen?
Wahrnehmung als Geschöpfe Gottes
Die Gaben Gottes werden nicht in biologischen Prozessen erkannt, die beobachtet, deren Regeln beschrieben und deren Ergebnisse simuliert und reproduziert werden können. Etwas als Gabe Gottes anzunehmen verleiht dem Gegebenen eine besondere Qualität und rückt es in eine exklusive Beziehung zwischen dem gebenden Gott und den empfangenden Menschen. Darin besteht die bleibende Entzogenheit des Gegebenen, unabhängig von der Unterscheidung zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit. Die göttliche Gabe kann weder natürlich entdeckt noch technisch hergestellt werden. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Natur und Handlung theologisch irrelevant. Entscheidend ist vielmehr, wie das Entstandene angesehen und als was es angenommen wird. Gott lässt sich den Zugang zu einem Kinderwunschzentrum weder theologisch ausreden noch kirchlich verbieten. Zwei Kernaussagen der Studie (Seite 39) lauten: «Gottes schöpferisches Bundes- und Segenshandeln zeigt sich nicht in biologischer Kausalität und genetischer Genealogie, sondern erschliesst sich wesentlich narrativ in den Geschichten von Gottes Mitsein mit seinen Geschöpfen.» Und: «Der Neuanfang mit jeder Geburt gründet in der Zusage: ‹Bevor ich dich gebildet im Mutterleib, habe ich dich gekannt› (Jer 1,5). Fortpflanzungsmedizinisches Handeln ist daran zu orientieren, dass sich die Menschen, die daraus hervorgehen, immer und unmittelbar als Geschöpfe Gottes verstehen und erleben und von ihren Mitmenschen als solche wahrgenommen werden.»