Jesus und John Wayne

Dieser Bestseller, der kurz vor dem Ende der ersten Amtszeit von Donald Trump veröffentlicht wurde, zeigt eindrucksvoll, wie die evangelikale Bewegung in den USA zunehmend zu einer kulturellen und politischen Kraft wurde, anstatt eine Gemeinschaft zu bleiben, die von theologischen Prinzipien definiert wird.  

Diese Prinzipien, die sie von den traditionellen protestantischen Kirchen1 unterscheiden, sind nicht ideologisch neutral, sondern wurden zu starken kulturellen und rassischen Markern. Sie verbanden sich mit einer patriarchalischen Auffassung von Autorität, einer starken Geschlechterdifferenzierung und einem militaristischen christlichen Nationalismus. Diese Merkmale waren ausschlaggebend für die Siege der ultrakonservativen Republikaner bei den US-Wahlen seit den 1960er Jahren. 

Die Autorin 

Kristin Kobes Du Mez ist eine US-amerikanische Historikerin; sie lehrt Geschichte und Gender Studies an der Calvin University in Grand Rapids/Michigan. Sie hat ihren Doktortitel an der Katholischen Universität Notre Dame (Indiana/USA) erworben. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Schnittstelle von Religion, Gender und Politik. Die Autorin stammt aus der Christian Reformed Church, einer kleinen traditionellen Denomination, die Mitte des 19. Jahrhunderts von niederländischen Siedlern gegründet wurde. Sie unterrichtet an der Calvin-Universität in Grand Rapids, die mit dieser Kirche verbunden ist. Am Ende ihres Buches weist sie übrigens darauf hin, dass weder ihre Kirche noch ihre Freunde oder Familie ihre Analyse unbedingt teilen. 

Darstellung 

Die Erzählung ist historisch und chronologisch in sechzehn Etappen aufgebaut. Mehr als dreissig Seiten mit Verweisen und ein Index der erwähnten Personen vervollständigen diese Ausführungen. Diese sind hilfreich, denn die Geschichte der amerikanischen evangelikalen Bewegung zu erzählen, bedeutet, Dutzende von Führern des gesamten 20. Jahrhundert zu porträtieren, von denen nur wenige unseren europäischen Kirchen bekannt sind, wie die Dynastien von Graham, Falwell oder Pat Robertson. Die Bewegung umfasst jedoch mehrere Millionen Anhängerinnen und Anhänger und überschreitet die konfessionellen Grenzen. 

Ursprünge der Bewegung 

Die Autorin führt die Ursprünge dieser ultrakonservativen Strömung auf die Wende zum 20. Jahrhundert zurück, das Ende der goldenen Ära der Siedler und den Beginn der Industrialisierung. Das Wachstum der städtischen Bevölkerung, die Veränderung der Arbeitswelt, das Aufkommen der Hemdenträger und des Liberalismus verursachten eine Krise der bis dahin von den Amerikanern gelebten Werte, insbesondere der Werte der Männer. Die Rolle des Gründervaters übernahm Theodore Roosevelt (Präsident von 1901 bis 1909). Als Stadtkind geboren, wurde er wieder zum Cowboy und wurde durch seine Rolle im spanisch-amerikanischen Krieg zu einer Art Nationalheld, als er eine Truppe unabhängiger Reiter, die «Rough Riders», anführte. Dies war die Geburtsstunde einer Bewegung, die auf eine Remaskulinisierung Amerikas abzielte und im Süden und Mittleren Westen sehr populär war. Die National Association of Evangelicals NAE, die Mutter aller zukünftigen Bewegungen, wurde 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, gegründet und war daher von Anfang an militaristisch und männlich geprägt. Es waren die 1940er und 1950er Jahre, die dieses mächtige Amalgam aus patriarchalischem Gender-Traditionalismus, Militarismus und christlichem Nationalismus, verkörpert durch ihren ersten Helden Billy Graham, hervorbrachten.  

Die evangelikale Bewegung überschritt konfessionelle Grenzen. Aus diesem Grund suchte sie nach anderen Methoden und Formen, als das synodale oder episkopale System, um ihr Publikum zusammenzubringen. K. Du Mez weist hier auf einen zweiten Grund für den Erfolg hin: die Massenmedien. Ob durch Massenpublikationen, Radiosendungen, Fernsehsender, Musikgruppen oder Multimedia-Produktionsfirmen – die Bewegung erfand sich immer wieder neu und entwickelte sich um charismatische Führer, talentierte und starke Redner, herum.  

Die Evangelikalen hatten aufgrund ihrer «göttlichen» Mission einen Hang zur Macht. Sie stützten sich auf populäre Figuren ebenso wie sie sich an politischen Leitfiguren, insbesondere Präsidenten, orientierten. John Wayne und seine Figur in den Cowboyfilmen bzw. als Kriegsheld wurde zum Repräsentanten für das, wie Amerika zu retten sei («Jesus saves your soul, but John Wayne saves your ass»), und das bis heute (John Waynes Tochter unterstützt D. Trump öffentlich). Amerika oder das Christentum zu verteidigen war das Gleiche («I went to Vietnam to kill a communist for Jesus Christ and John Wayne»). Andere Nationalhelden wurden herbeizitiert, wie James Wallace, der schottische Kampfheld, oder die Generäle Mac Arthur und Patton. 

Christlicher Virilismus 

Die notwendige Rauheit, ja Brutalität, wurde durch die Angst vor Chaos und die Berechtigung der «Sache» gerechtfertigt: «Jesus war ein böser Junge», «Jesus hat uns aufgefordert, unsere Feinde zu lieben, aber nicht seine eigenen!». Es wurden voreingenommene theologische Argumente vorgebracht. So wurde behauptet, dass es seiner starken Männlichkeit zu verdanken sei, dass Jesus das Opfer am Kreuz auf sich genommen habe. Auch wurde ihnen Ketzerei vorgeworfen, da viele auf der strikten Unterordnung Jesu gegenüber seinem allmächtigen Vater bestanden. D. Wilson, ein Baptist aus dem Süden, forderte eine «Theologie des Faustkampfes». In einigen Kirchen wurden sogar MMA-Schulen und «Xtreme ministries» gegründet. Auf T-Shirts ist zu lesen: «Jesus loves me and my guns».  

Oliver North, ein überzeugter Evangelikaler, Vizedirektor des National Security Council unter der Regierung von R. Reagan und mehrfach ausgezeichneter Leutnant, musste zurücktreten und verlor alle seine Ämter, nachdem er illegal Waffen an die nicaraguanischen Contras verkauft hatte. Er wurde jedoch im folgenden Jahr als Hauptredner zum Kongress der Südlichen Baptisten eingeladen. 1988 verglich ihn Jerry Falwell mit Jesus: «Wir dienen einem Erlöser, der auch verhaftet, verurteilt und gekreuzigt wurde, Ollie North ist ein wahrer amerikanischer Held». Nach dem 11. September 2001 trat er wieder in den Dienst. Damals erklärte Jerry Falwell: «Mohammed war ein Terrorist». Im Jahr 2018 wurde North Präsident der National Rifle Association, der berüchtigten NRA. Er ist ein Held der religiösen Rechten, für die das höhere Gut der christliche Nationalismus ist. In diesem Zusammenhang wird es niemanden überraschen, dass republikanische Kandidaten unter Evangelikalen immer besser abschnitten als Demokraten, selbst wenn diese, wie Jimmy Carter, Anhänger der Southern Baptists waren. Reagan, der Cowboy, war ein gefundenes Fressen für sie, vor allem, weil er sich auf das Symbol des Vorbilds John Wayne stützte, der im Jahr zuvor gestorben war. Die Stimmen der Evangelikalen für die republikanischen Kandidaten schwanken je nach Wahl zwischen 70 und 90 Prozent. Ein schwarzer Gegenkandidat oder eine Frau, macht die Wahl noch einfacher.   

Die Frage der Beziehungen zwischen Mann und Frau ist ein weiterer verstörender roter Faden in dem Buch. Von Frauen wird totale Unterordnung verlangt, gleichzeitig wird explizite Weiblichkeit gefordert, damit der Mann seine dominierende Rolle übernehmen kann. Ausserdem wird eine Kultur der Reinheit gefördert, für beide Geschlechter, sowie eine unbestrittene elterliche Autorität (= die des Vaters) in der Familie. Die Kinder wurden in der Regel daheim unterrichtet, um zu gewährleisten, dass die traditionellen Werte eingehalten werden. «Die Dominanz eines Vaters im Haushalt ist untrennbar mit einer heroischen Führung auf der nationalen Bühne verbunden, und das Schicksal der Nation hängt von beidem ab». James Dobson, ein weiterer Führer, der vierzig Jahre lang äusserst einflussreich war, erklärte: «Je stärker die Familie, desto stärker die Armee, denn starke Familien erhöhen die Kampfbereitschaft»“.  

Natürlich gab es Zeiten, in denen die Konservativen einen Niedergang erlebten, wie in den späten 1960er Jahren oder am Ende der Bush-Ära. Es gab auch Zeiten, in denen die Konservativen sanfter wurden oder einige sanftere Tendenzen förderten. Auch innerhalb der Partei gab es immer wieder Debatten zwischen eher zentristischen und radikaleren Positionen. Mit der Zeit wurde es jedoch immer schwieriger, die Mitte von den Rändern zu unterscheiden, und viele Gemässigte schlossen sich angesichts der Erfolge schliesslich den Radikalen an.  

Von der Vielfalt zur politischen Geschlossenheit 

Die Autorin zeigt jedoch, dass viele Evangelikale von Trumps erfolgreicher Kampagne bei den Vorwahlen 2016 überrascht waren, da er nicht ihr Favorit war. Unter ihnen gab es auch eine #NeverTrump-Bewegung. Doch nachdem er den Sieg errungen hatte, war die Zustimmung gross. Seine moralischen Verfehlungen waren für ihr Urteil nicht so wichtig wie die Tatsache, dass er auf der richtigen Seite stand und die Gegenkandidatin eine Frau war.   

Das Buch endet mit der Schilderung der zahlreichen Skandale, die dem Ruf der evangelikalen Bewegung schwer geschadet haben: Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, Kindesmissbrauch, körperliche Züchtigung usw. Jedes Mal wurde versucht, die Rollen von Opfern und Schuldigen zu vertauschen. Offensichtlich hat dies das Publikum nicht davon abgehalten, im November 2024 erneut massiv für Trump zu stimmen. Franklin Graham, der Sohn von Billy Graham, sprach bei seiner Amtseinführung im Januar 2025 eines der Gebete im Kapitol.  

Würdigung  

Der Mehrwert dieser Analyse liegt darin, dass sie nicht nur den christlichen Nationalismus beleuchtet, sondern ein ganzes Bündel von Faktoren aufzeigt, die zusammenwirken, um die kulturelle und politische Macht dieser Bewegung zu erklären. Sie beruht auf der Summe einiger geschlechtsspezifischer Merkmale: Männlichkeit, körperliche Stärke, Autorität, Familienrollen, Patriarchat… Eine Ideologie von Weissen für Weisse. Einen europäischen Beobachter macht die Demonstration des Ausmasses des Phänomens fassungslos, z. B. das frühe Verständnis für die Schlag- und Überzeugungskraft der Massenmedien. Vor allem wird einem bewusst, wie sehr sich der soziokulturelle Kontext der USA von unserem unterscheidet. Man entdeckt eine gigantische kulturelle, soziale und politische Bewegung und ein Netzwerk, das die Bezeichnung «christlich» für sich monopolisiert und den Diskurs der historischen Kirchen unsichtbar macht. Man entdeckt einen nationalen Eifer, der absolut davon überzeugt ist, die Stimme Gottes zu sein, eine «christliche» Ideologie neben der Stimme der Kirchen und ohne dass diese sich ihr widersetzen können.   

Aktualität 

Vor einigen Monaten entzündete sich unter Theologinnen und Theologen eine Kontroverse über das Biopic über D. Bonhoeffer (Bonhoeffer, 2024), das gerade in die Kinos kam. Eine von Tausenden von Menschen unterzeichnete Petition wandte sich gegen die Instrumentalisierung Bonhoeffers. Die dem Film zugrunde liegende Biografie wurde jedoch von Eric Metaxas geschrieben. Dieser gebürtige Grieche, New Yorker und Yale-Absolvent ist eine der grossen Figuren, die die «christliche Männlichkeit» propagieren. Er hat sich auf die Darstellung christlicher Helden spezialisiert. Er war anfangs ein scharfer Kritiker von D. Trump, schloss sich ihm aber später mit den Worten an, dass er «zwar kein Mann von guter Tugend sei, aber Amerika liebe». Im Wahlkampf 2016 griff er «Hitlery Clinton» und die Eliten von Manhattan an, die «wie die Nazis auf subtile Weise die Macht an sich gerissen haben». In seiner Biografie über D. Bonhoeffer machte er ihn nach seinem Besuch in Harlem zu einem «Wiedergeborenen», zu einer Art Heiliger des christlichen Glaubens, der einzigen wirksamen Waffe im Kampf gegen den Nationalsozialismus. 

Der christliche Nationalismus ist heute eine grosse Herausforderung für die historischen Kirchen, auch in Europa. Seine Wurzeln liegen tief. Dieses Phänomen betrifft auch andere Konfessionen und Religionen, wie die Beispiele Russlands, Israels oder der Türkei zeigen. Einige Ausdrucksformen davon sind manchmal auch in der Schweiz zu sehen. Schliesslich ist auch die Aktualität des Gedenkens an das Konzil von Nizäa im Jahr 325 nicht weit: Wie damals werden dominante politische Führer wie Trump von Christen als politischer Messias wahrgenommen, die eine für sie vorteilhafte Pax americana herbeiführen können.  

Kristin Kobes Du Mez, Jesus and John Wayne, how white evangelicals corrupted a faith and fractured a nation, Liveright Publishing Corp., New York, 20212 , 358p.  

Serge Fornerod, Pfarrer, war zwischen 2002 und 2023 Verantwortlicher für internationale und ökumenische Beziehungen beim SEK /EKS. 

Im Zusammenhang mit dieser Thematik möchten wir hier auf dem Podcast Das Wort und das Fleich. Ein Atlas der Christenheit hinweisen, wo mehrere Folgen dieser Thematik gewidmet sind.
 

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Autor:in

Serge Fornerod

Serge Fornerod

Pasteur, et ancien collaborateur de l'EERS dans le domaine des relations extérieures. Il a également été responsable du programme Europe de l'Est pour l'EPER.

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