a

Lust auf Theologie

Dietrich Rusam, promovierter Theologe im Fach Neues Testament, arbeitet seit fast 20 Jahren als Religionslehrer am Richard-Wagner-Gymnasium in Bayreuth und ist für die religionspädagogische Ausbildung der Vikarinnen und Vikare zuständig. Sein Buch «Lust auf Theologie» will interessierten Leser:innen in zehn Kapiteln die zentralen Themen christlicher Theologie zugänglich machen.

Überblick

Rusam widmet sich nacheinander der Christologie (1), den historischen Gottesbildern (2), der theologischen Erkenntnistheorie (3), der Theodizee-Frage (4), der theologischen Anthropologie (5), der Ekklesiologie und der Sakramentenlehre (6), dem Thema Sterbehilfe aus christlicher Perspektive (7), den christlichen und philosophischen Gewissensvorstellungen (8), der ethischen Verhältnisbestimmung von Religion und Staat (9) und der Eschatologie (10). Das 200-seitige Buch kommt trotz verschiedener Verweise auf Gegenwartsphänomene wie ein kleines Kompendium klassischer Ansätze daher, das den Schwerpunkt auf die deutschsprachige protestantische Theologie legt. Martin Luther, die Aufklärung und der Deutsche Idealismus, Bonhoeffer und Barth sind die Hauptfiguren des Ensembles.

Der Autor bittet schon im Vorwort um Nachsicht der theologischen Fachwissenschaftler:innen mit verkürzenden und vereinfachenden Darstellungen. Man glaubt ihm, dass er vieles weggelassen und sich gewissenhaft auf die seiner Meinung nach relevantesten Positionen bezogen hat. Diese Reduktion legt die Sicht auf die Voraussetzungen frei, unter denen Rusam die einzelnen theologischen Fragen angeht. Besonders beim Thema Sterbehilfe wirkt das mitunter wenig reflektiert.

Sterbehilfe

Das Kapitel beginnt mit der Schilderung des Schicksals von Immaculada Echevarria. Die Spanierin konnte infolge unheilbaren Muskelschwunds nur noch die Fingerspitzen und die Gesichtsmuskulatur bewegen. Seit über 10 Jahren war sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Ihre letzte Kraft galt dem Wunsch, dieses Gerät zu entfernen und sterben zu dürfen. Die spanischen Behörden kamen ihrem Wunsch nach, weil sie darin keine aktive Sterbehilfe erkennen konnten. Die katholische Kirche protestierte dagegen. Echeverria musste schliesslich zum Sterben in ein anderes Spital verlegt werden.

An diese Schilderung schliesst ein Abschnitt über das biblische Verständnis von Gesundheit an, worauf Heil und Gesundheit in der Theologiegeschichte (Jesus und Luther) skizziert werden. Darauf folgen Begriffsklärungen zum Thema Sterbehilfe und eine kurze Darstellung der deutschen Rechtslage. Schliesslich bietet das Kapitel historische Informationen zu Hospizen und Palliativstationen und nennt deren wichtigste Qualitätskriterien, bevor in einem Schlussabschnitt betont wird, dass alle «Hochreligionen» das menschliche Leben als schützenswert erachten. Zwar könne Sterbehilfe nicht einfach mit dem Tötungsverbot aus dem Dekalog abgetan werden. Hier solle man sich an Luthers Kleinen Katechismus halten: «Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserem Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten.» Freilich sei im Einzelfall zu prüfen, was dies bedeute.

Damit fehlt dem Ethik-Thema dieses Kompendiums Wesentliches. Nämlich genau das, was theologische Ethik spannend macht: Das Nachdenken darüber, wie und ob religiöse Intuitionen, Vorgaben oder Gebote unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt Geltung beanspruchen können.

Kritik

Es gelingt dem Verfasser, klassische kirchlich-theologische Themen wie die Taufe und Abendmahl, Christologie und Gotteslehre in kondensierter und auf die deutschsprachige protestantische Theologie fokussierte Weise wiederzugeben. Das ist nicht wenig und mag denen helfen, die sich dazu einen ersten Überblick verschaffen wollen. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, von da aus auch weitere Fährten in Form von Literaturverweisen auf andere, neuere, nicht deutsche, aussereuropäische Entwürfe anzubieten. Zur Theodizee- oder der Gewissens- oder der Sterbehilfe-Thematik fehlen wichtige einschlägige Debatten aus der Gegenwart.

Das Büchlein setzt grosse Lust am Theologisieren voraus und kann dazu einen Einstieg bieten. Ich bezweifle aber, dass es geeignet ist, diese Lust zu wecken. In der Hand guter Lehrer:innen mag es eine nützliche Orientierung sein, um von einem gemeinsamen Ausgangspunkt her gemeinsam zu entdecken, was an Theologie so lustvoll sein kann.

Dietrich Rusam: Lust auf Theologie. Zehn Themen der Theologie zum Lesen, Lernen und Weiterdenken, Neukirchen-Vluyn 2015, 200 Seiten.

EKS blog

Autor:in

Kommunikation EKS

Kommunikation EKS

Die Kommunikation der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz.

Alle Beiträge