×
Kirche
Über uns
Konferenzen
Kommissionen
Fonds und Stiftungen
Weltweite Kirche
Themen
×
Martin Breitenstein kritisiert in seinem Beitrag “Grün, grüner, reformiert” die EKS und die reformierten Kirchen insgesamt dafür, dass sie sich in eine “Klimareligion” verwandelt hätten. Als jüngsten Beleg führt er das EKS-Papier “Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt” an. Nebst der – wirklich witzig vorgetragenen – Kritik an den mancherorts sperrigen Formulierungen, sind die Vorwürfe haltlos und verweisen auf eine seltsame Geringschätzung demokratischer Verfahren innerhalb der Kirche.
Breitenstein gibt vor, einen aktuellen Trend zu beschreiben. Dass dies nicht zutrifft, erkennt, wer sich nur schon bis zum zweiten Abschnitt des Papiers durch den “Kirchensprech” gekämpft hat. Die Autoren führen das enger gefasste Anliegen der Nachhaltigkeit dort bis zur Ökumenischen Konferenz von Bukarest 1974 zurück. Nur drei Jahre später hat der Reformierte Weltbund gefordert, die Menschenrechtspakte um eine Erklärung über die Rechte der Umwelt zu ergänzen. Das Papier nennt weitere wichtige Stationen und kommt zum Schluss, dass “Gedanke einer nachhaltigen Entwicklung und der Vorschlag, die aussermenschliche Natur als eigenständiges Rechtssubjekt anzuerkennen, viel älter und enger mit biblischen Gehalten und kirchlichen Anliegen verbunden” seien, als die aktuellen Debatten vermuten liessen.
Es mag der journalistischen Absicht geschuldet sein, dem Thema der Klimareligion Brisanz zu verleihen, indem behauptet wird, die Beschäftigung der Kirchen mit dem Thema Nachhaltigkeit sei neu. Neues macht Schlagzeilen. Dass Breitenstein aber behauptet, die EKS lasse ihn im Dunkeln darüber, wie das Klimaschutzgesetz “konkret zum biblischen Nachhaltigkeitsgedanken beitragen soll”, ist beinahe mutwillig. Die Stellungnahme hält dazu ausführlich fest:
“Vielmehr gilt es, die falsche Vorstellung zu überwinden, die Natur sei bloss das Material und die Umwelt für die menschliche Zivilisations- und Handlungsmacht. Die biblische Sicht auf die Welt als Schöpfungsgabe lenkt den Blick darauf, was die Geschöpfe nicht besitzen und sich nicht schaffen können, aber was ihr Leben überhaupt ermöglicht.
“Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt”
Diese Haltung der Dankbarkeit lässt sich politisch nicht einholen. Die damit verbundene Haltung des Respekts gegenüber der Natur kommt aber im indirekten Gegenvorschlag und in der Initiative zum Ausdruck. Deshalb unterstützt der Rat EKS die beiden Vorlagen.”
Leseverstehen-Frage: Weshalb erkennt der Rat im Klimaschutzgesetz einen Beitrag zum biblischen Nachhaltigkeitsgedanken? Antwort: Weil der Rat die Welt als Gabe und die Menschen als Geschöpfe versteht.
Die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimakrise sind theologisch relevant. Nicht nur für Reformierte. Papst Franziskus hat 2015 eine entsprechende Enzyklika herausgegeben.
Das zweite Beispiel findet Breitenstein in der Einführung des “Grünen Güggels” in der Zürcher Landeskirche. Ob der “Grüne Güggel” ein “Bürokratie-Import eines aufwändigen europäischen Zertifikationsprozesses” darstellt oder nicht, will ich an dieser Stelle gar nicht diskutieren. Dass Breitenstein aber den parlamentarischen Prozess der Kirchensynode als “eifrige Schützenhilfe für den Zürcher Kirchenrat” verunglimpft, lässt auf ein demokratisches Missverständnis schliessen. Kein bürokratisches Ratsmonster hat der Kirche den Grünen Güggel auferlegt, die Kirche hat ihn in einem demokratischen Verfahren selbst gewählt. Nicht nur der Tonfall, sondern auch der damit einhergehende saloppe Populismus sind befremdlich. Eine liberale Ordnung kann eben über ihre Verfahren auch zu Ergebnissen führen, die nicht jedem Liberalen passen. Demokraten haben das anzuerkennen.
Im Schlussabschnitt seiner Kolumne führt Breitenstein die Leserschaft endlich zum konkreten politischen Anliegen seines Weckrufs: Es geht ihm um die “Schöpfungsinitiative”. Die Initiant:innen fordern
Mit tausend gültigen Unterschriften von stimmberechtigten reformierten Kirchenmitgliedern käme diese Initiative zustande und käme vor die Synode.
Ganz offensichtlich geht es den Initiant:innen nicht darum, ein eigenes politisches Programm möglichst rasch und einfach durchzusetzen, sondern eine Diskussion über die kirchliche Verantwortung in der Klimakrise zu lancieren und zu führen.
Breitenstein mokiert sich darüber, dass es für ein “solches zürcherisch landeskirchliches Unikum” lediglich 1000 Unterschriften brauche. Er verschweigt dabei, dass der klassische demokratische Weg viel leichter gewesen wäre: Da unter den Initiant:innen auch Mitglieder der Zürcher Kirchensynode sind, hätten sie auch einfach einen Vorstoss im Kirchenparlament einreichen können. Ein Drittel aller Synodemitglieder hätten zustimmen müssen. Aus derselben Synode, die zum Ärger Breitensteins schon den Grünen Güggel angenommen hat. Ein vergleichbar leichtes Spiel. Ganz offensichtlich geht es nicht darum, ein eigenes politisches Programm möglichst rasch und einfach durchzusetzen, sondern eine Diskussion über die kirchliche Verantwortung in der Klimakrise zu lancieren und zu führen.
Man darf auch ganz anderer Meinung sein. Das ist innerhalb demokratischer Prozesse in einer Kirche gar kein Problem. Im Gegenteil. Auf jeden Fall sollten wir nicht jene fürchten, die den Herausforderungen des Klimawandels auch im kirchlichen Leben und als Kirchengemeinschaft begegnen wollen und dieses Anliegen mit demokratischen Mitteln verfolgen, sondern uns vor denen in Acht nehmen, die demokratische Prozesse als esoterischen Irrsinn und bürokratische Irrwege darstellen wollen.
0 Kommentare