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Störenfriede und Friedensstifter

23.Okt. 2025

Predigten und Aufsätze von Hans Stickelberger

Eine Predigt ist eigentlich „Brot für eine Woche“, denn am folgenden Sonntag bekommt die Gottesdienstgemeinde ja wieder frisch gebackenes, neues. Wie also lesen sich Predigten, die seit dreissig Jahren in Ordnern abgeheftet vor sich hintrocknen und vergilben? Nun, der Herausgeber des Sammelbändchens hat sie in ein ansprechendes neues Gewand gesteckt und – das verspreche ich den Leserinnen und Lesern – neu zum Leuchten gebracht. Mir jedenfalls haben einige ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Übrigens hätte der Verfasser dieser Predigten sie aus Bescheidenheit wohl kaum selber herausgegeben, hat sich aber in seiner Amtszeit hie und da erlaubt, so „eine Gelbe“ zu halten, wie er der Gemeinde ohne Scheu gestand, wenn er im Druck seiner pfarramtlichen Pflichten nach einer übervollen Woche nicht mehr dazu kam, eine neue Sonntagspredigt zu schreiben. Das kam allerdings nur selten vor. Und dann war diese „Gelbe“ jeweils trotzdem ganz frisch, wie ja auch ein schon mehrmals gespieltes Musikstück, in einem Konzert live interpretiert immer wieder ganz neu gehört wird.

Hans Stickelberger hatte, neben diesem entlastenden Geständnis, zwei Ratschläge an mich, an jüngere Kolleginnen und Kollegen, aber auch an Berufsanfängerinnen und -anfänger: „Rede einfach, aber nicht simpel“. Dass er selber nach dieser Devise geschrieben und gepredigt hat, war für seine Hörerinnen und ist jetzt auch für die Leser dieses Büchleins eine Wohltat. Biblische Texte sind ja nicht immer so eingängig, bisweilen sogar ziemlich sperrig. Er verstand es, sie in einfacher Sprache und durchaus konkret in unsere Alltagswelt zu übersetzen. Er verstand es auch, schwierige theologische Gedankengänge in Worte zu fassen, sodass sie verständlich wurden. Das hat nichts mit Ermässigungen für geistig Minderbemittelte zu tun, sondern mit der Kunst, komplexe Sachverhalte so darzustellen, dass sie zum Nachdenken anregen, weil man zu begreifen anfängt (statt aufhört).

Und schon bin ich beim zweiten Ratschlag, den er immer wiederholt hat, in den homiletischen Seminaren für angehende Pfarrerinnen und Pfarrer. Der stammt übrigens gar nicht von ihm selbst, sondern vom römischen Orator Cicero, den er frei zitierte:,Eine gute Rede solle „delectare, docere et movere“ (Menschen erfreuen, aufklären und ihr Herz berühren). Vielleicht war die Reihenfolge bei Cicero eine andere, aber Hans Stickelberger kam es darauf an, das Evangelium so zu verkünden, dass seine Gemeinde sich daran erfreuen konnte, dass ihr dabei ein Licht aufgesteckt wurde und – dass es ihnen zu Herzen ging. Das alles wird spürbar beim Lesen dieser alten Predigten zu den Seligpreisungen oder Jesajatexten.

Ein Beispiel: Die Predigt an Heiligabend im Jahr 2000 fängt so an:

Weihnachten ist eine verborgene Geschichte. Wenn wir so hinschauen, sehen wir von Gott gar nichts! Das ist eine unerwartete Eröffnung in einer weihnächtlich erleuchteten und übervollen Kirche, wie es das Grossmünster an Heiligabend jeweils ist und war. Eine Eröffnung, die uns die Augen öffnet, für das was wir sehen, wenn wir denn überhaupt hinsehen wollen: eine provisorische

Unterkunft, wenig Licht, Stroh, Mist, arme Leute, die sich schon bald zur Flucht gezwungen sehen. Und schon sind wir in unserer Realität angelangt, wo so viele Menschen nirgends Aufnahme finden und man leider oft „gar nichts sieht von Gott“. Dabei bleibt die Predigt aber nicht stehen, vielmehr hilft sie uns, hinter das zu sehen, was man sehen kann; doch lesen Sie selbst. Sie ist nämlich auch noch lustig!

Das Büchlein mit 6 Predigten zu einzelnen Seligpreisungen, zwei Auslegungen alttestamentlicher Prophetenworte und Weihnachtsgeschichten und zwei theologischen Aufsätzen zu Zwingli und zu Lavater mag ein schönes Weihnachtsgeschenk sein für Menschen, die den Prediger Hans Stickelberger gekannt und geschätzt haben, ein ideales Geschenk für Menschen, die der Kirche verbunden sind, die an Bibel und Theologie interessiert sind, für Menschen, die Nahrung für ihren Glauben suchen – und vielleicht auch für Berufsanfängerinnen im Pfarramt oder bereits gestandene Prediger. Es ist das Vermächtnis eines menschenfreundlichen Seelsorgers und Pfarrers aus Leidenschaft und eines sattelfesten reformierten Theologen.

Störenfriede und Friedensstifter. Predigten und Aufsätze von Hans Stickelberger. Hrsg. von Niklaus Peter, 80 Seiten, Radius Verlag 2025 – ISBN 978-3-87173-541-7. 

Käthi La Roche geb. Kaiser (*1948 in Zürich) Pfarrerin der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, die erste Frau, die ins Pfarramt am Grossmünster gewählt wurde (1999-2011).

Einladung zur Vernissage am 16. November

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VON:

Käthy La Roche

Käthy La Roche

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