×
Kirche
Über uns
Konferenzen
Kommissionen
Fonds und Stiftungen
Weltweite Kirche
Themen
×
Die Klimafrage ist eine der drängendsten ethischen Herausforderungen unserer Zeit. Doch welche Rolle soll und darf die Kirche in politischen Abstimmungen spielen? Soll sie klare Positionen beziehen und Stellung zu konkreten Vorlagen wie der KVI 2 nehmen? Oder liegt ihre Aufgabe vielmehr darin, Orientierung zu geben, ohne sich parteipolitisch festzulegen?
In dieser Debatte stehen zwei Positionen gegenüber: Patrick Schwarzenbach fordert eine Kirche, die sich nicht hinter vorsichtiger Sprache versteckt, sondern mit deutlicher Stimme „Ja, Ja“ oder „Nein, Nein“ sagt. Stephan Jütte hingegen argumentiert, dass Kirche keine einzelne Stimme ist, sondern ein Raum des Gesprächs – und dass Klarheit nicht immer mit politischen Empfehlungen gleichzusetzen ist. Braucht es eine entschlossenere Kirche? Oder eine, die sich dem gemeinsamen Ringen um Wahrheit verpflichtet sieht? Lesen Sie beide Beiträge und diskutieren Sie mit!
Es gibt eine Angst, die uns lähmen kann: die Angst, sich festzulegen. Die Angst, eine Position einzunehmen, die uns angreifbar macht. Die Angst, sich auf eine Richtung festzulegen – und dabei andere Möglichkeiten zu verlieren.
Patrick Schwarzenbach beschreibt in seinem Text eine Figur, die genau diese Angst in sich trägt: ein Mensch, der sich nie ganz festlegt, der in der Schwebe bleibt, sich nicht greifbar macht – weder für andere noch für sich selbst. Und er zieht daraus eine scharfe Konsequenz: Wenn wir als Kirche, als Institution oder als Gesellschaft uns in dieser Haltung einrichten, dann verpassen wir unsere Verantwortung. Dann bleibt von uns nur ein Slalomkurs, keine Spur, kein klares Zeugnis.
Das ist eine berechtigte Kritik. Kirche ist nicht einfach ein Ort für endlose Relativierungen. Wenn Kirche politisch ist – und das muss sie sein –, dann kann sie sich nicht in blosser Moderation erschöpfen. Sie muss Position beziehen. Sie muss, wenn es um Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung oder Menschenwürde geht, eindeutig sein. Das Evangelium ist nicht unbestimmt. Es lässt sich nicht beliebig auslegen.
Die biblische Mahnung ist deutlich: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein.“ (Mt 5,37) Eine Kirche, die sich davor fürchtet, klar zu sprechen, verrät ihr eigenes Fundament. Aber bedeutet das, dass jede politische Entscheidung, jede ethische Frage mit einem simplen Ja oder Nein beantwortet werden kann?
Schwarzenbachs Bild ist kraftvoll, aber es greift zu kurz. Kirche ist nicht eine in sich gekehrte ältere Person, die sich vor Entscheidungen drückt. Sie ist nicht ein Individuum, das sich endlich einen Ruck geben und Verantwortung übernehmen sollte. Kirche ist eine Gemeinschaft. Sie besteht aus vielen Stimmen, aus vielen Lebenserfahrungen, aus vielen Perspektiven. Kirche ist nicht einfach eine Instanz, die mit einer einzelnen Stimme spricht. Sie ist das Gespräch unter den Menschen, die sich aufeinander und auf das beziehen, was sie von Gott erkannt zu haben meinen.
Und genau deshalb kann kirchliche Meinungsbildung nicht dasselbe sein wie eine private Überzeugung. Es ist ein Prozess des gemeinsamen Hörens, des Ringens, des Fragens. Klarheit kann dabei nicht einfach verordnet werden. Sie muss wachsen – aus dem gemeinsamen Suchen nach Wahrheit.
Die Debatte um die Klimapolitik und die Haltung der Kirche zur Kovi 2 zeigt genau dieses Spannungsfeld. Es gibt kaum eine theologische Frage, die so eindeutig beantwortet scheint, wie die Bewahrung der Schöpfung. Und doch bleibt die Frage: Welche politischen Massnahmen folgen daraus? Soll die Kirche konkrete Abstimmungsempfehlungen geben? Oder soll sie eine grundsätzliche Orientierung bieten, die von den einzelnen Gläubigen in die politische Praxis übersetzt wird?
Schwarzenbach fordert von der Kirche eine klarere Positionierung. Und ja: Die Kirche darf sich nicht in der Unverbindlichkeit verstecken. Aber sie muss sich gleichzeitig bewusst bleiben, dass sie nicht über jede politische Massnahme ein finales Urteil fällen kann.
Schwarzenbach fordert zu Recht eine Kirche, die sich nicht in einer allumfassenden Aussagelosigkeit verliert. Aber Klarheit bedeutet nicht immer, dass man sich für eine parteipolitische Lösung entscheidet. Klarheit kann auch bedeuten, Orientierung zu geben, die nicht in Parolen mündet.
Denn das Evangelium ist nicht nur ein „Ja“ oder ein „Nein“. Es ist eine Einladung zu einer Bewegung, zu einem Weg, zu einer Haltung. Und dieser Weg beginnt nicht mit der Angst, sich festzulegen – sondern mit dem Mut, sich einzulassen. Nicht aus Angst vor der Unverbindlichkeit. Sondern aus Vertrauen in das gemeinsame Ringen um Wahrheit.
0 Kommentare