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Zwischen Ankunft und Rückkehr

6.Mai 2025

Frühjahrstreffen der Migrationsverantwortlichen der EKS Mitgliedkirchen 

Am 30. April 2025 fand im Haus der Religion in Bern das Frühjahrstreffen der Mitgliedkirchen der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS im Horizont des Themas «Zwischen Ankunft und Rückkehr» statt. Die Sonne strahlte, als ginge es um ihr Leben, und trug so ihren Teil bei, um den Tag, mit teilweise bedrückender Thematik, etwas aufzulockern.  

Am Vormittag brachte uns Imam Mustafa Memeti den «muslimischen Verein Bern» näher. Er stand schon am Empfang, als die Gruppe – bereits mit kleiner Verspätung – die Treppe herunterkam. Unten angekommen, führte er die Migrationsverantwortlichen in die Moschee im Haus der Religionen. Nachdem alle wie auf einer Schulreise in einem Kreis auf dem weichen, roten Teppichboden und auf Stühlen Platz genommen hatten, stellte er sich vor und erzählte von den Bedürfnissen und Herausforderungen seiner Gemeinde. 

Selbst in eine konservative Familie hineingeboren, führt Imam Mustafa Memeti heute die Moschee im Haus der Religionen in Bern, die so liberal orientiert ist, dass sie gemäss eigener Aussage bei islamischen Dachverbänden auf Widerstand stosse und ihr die Mitgliedschaft teilweise verwehrt bliebe. Eine Folge der liberalen Ausrichtung: Das in der Berner Moschee verrichtete Gebet werde nicht von allen Musliminnen und Muslimen anerkannt. Ein islamischer Rechtsgelehrter habe darüber in einer fatwa* geurteilt. 

Im Gespräch mit Imam Mustafa Memeti wird deutlich, dass Orte für das Gebet, Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche sowie die Anerkennung bzw. Gleichbehandlung der islamischen Religionsgemeinschaften nach wie vor zu den Hauptbedürfnissen zählen. Besonders deutlich kommen an diesem Vormittag jedoch die innermuslimischen Spannungen zur Sprache. Die grosse Heterogenität der Gemeinschaft, die sich in der Herkunft und den verschiedenen Glaubensrichtungen zeigt, erschwere den Dialog. Aus diesem Grund fordert Memeti einen «konstruktiven Dialog» nach aussen sowie gegen innen. 

«Wir brauchen konstruktiven Dialog.»

~Imam Mustafa Memeti~

Nach der Mittagspause im Restaurant Vanakam vor Ort berichtete Rubin Gjeci, muslimischer Seelsorger beim Seelsorgedienst für Asylsuchende in Bern von seiner Arbeit im Rückkehrzentrum Bern-Brünnen und was die Menschen dort bewegt. Rubin Gjeci ist einer von fünf in den kantonalen Rückkehrzentren des Kantons Bern tätigen Seelsorgenden. «Seelsorge heisst ‹da sein›», erklärt Gjeci. Dies heisse, ein offenes Ohr für die unterschiedlichsten Anliegen zu haben und den abgewiesenen Asylsuchenden bei scheinbar alltäglichen Aufgaben zur Seite zu stehen. Dazu zählen das Lesen und Verfassen von Briefen, Hilfe bei der Suche nach Lösungen, wenn konfrontiert mit Bussen sowie Unterstützung bei der Beschaffung von ÖV-Billetten. Was trivial tönt, ist nicht selbstverständlich und für die Bewohnerinnen und Bewohner ein grosses Bedürfnis. 

Auch wenn das Leben und die Arbeit im Rückkehrzentrum nicht immer leicht seien, gäbe es doch auch immer wieder erfreuliche, schöne Augenblicke. Oft seien es die kleinen Dinge, worüber sich die Asylsuchenden freuten: ein gemeinsamer Kaffee, einen Spaziergang, eine erfreuliche Nachricht von der Familie oder auch einfach nur, in der eigenen Sprache mit jemandem zu reden. 

«Seelsorge heisst ‹da sein›.»

~Rubin Gjeci~

Eine besondere Erfahrung stellte der darauffolgende Besuch im Rückkehrzentrum Bern-Brünnen dar. Zum Zeitpunkt des Besuchs beherbergte das Rückkehrzentrum Bern-Brünnen ca. 45 junge, nach Aussage von Rubin Gjeci oft psychisch angeschlagene Männer, die aufgrund eines negativen Asylentscheids das Land verlassen, oder die im Rahmen der Dublin-Verordnung in das Land des ersten Asylgesuchs zurückkehren müssen. Die Tramfahrt vom Europaplatz zur Endstation Bern-Brünnen und der zusätzliche, 15-minütige Fussmarsch zum Zentrum verliehen der Ausgrenzung eine weitere erfahrbare Komponente (auch wenn dieses Zentrum vergleichsweise sehr zentral liegt). 

Der Leiter des Zentrums, Alain Willi, führte die Migrationsverantwortlichen durch die spärlich ausgestattete, unterirdische Zivilschutzanlage im Besitz des Grossverteilers Coop und erlaubte ihnen damit einen Einblick in die grösstenteils verborgene Lebensrealität von Menschen mit negativem Asylentscheid: der Eingang ins Zentrum erfolgt durch die ehemalige Dekontaminationszelle, die heute als Hygieneanlage dient. Darüber hinaus finden sich zwei Massenschläge, eine Küche mit einer Handvoll Kochherden, einen Aufenthaltsbereich mit Tischen und Stühlen zum Essen und einen mit Sofa, Fernseher und «Töggelichastä» ausgestatteten Aufenthaltsraum. Die Büros der ORS-Mitarbeitenden, des Seelsorgers sowie der Behandlungsraum der Pflegefachperson befinden sich ebenfalls in der unterirdischen Anlage. Der Sportraum, in dem ein paar Fahrräder sowie ein Ping-Pong-Tisch standen, wurde gerade zur Abgabe einer Lebensmittelspende genutzt. 

«Dank Vertrag zwischen Kanton und Kirche betreffend Seelsorge ist eine niederschwellige psychologische Begleitung der Betroffenen möglich

~Alain Willi~

Zurück im Haus der Religionen rundete der Input von Claudia Ransberger, Bereichsleiterin Nothilfe und Rückkehr beim Migrationsdienst des Kantons Bern MIDI das Programm ab. Sie ging auf die kantonalen Aufgaben und Kompetenzen im Rückkehrbereich sowie die verschiedenen daran beteiligten Akteure und Herausforderungen im Vollzug ein. 

Insgesamt blicken wir auf einen auch für das kirchliche Engagement im Flüchtlingsbereich informativen und inspirierenden Tag zurück mit wertvollen Gesprächen mit Akteurinnen und Akteuren aus Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft, die auf je unterschiedliche Art und Weise im Bereich zwischen Eingliederung und Rückkehr engagiert sind. 

Mehr zum Thema 

Lea Stuber, «Verlorene Kindheiten», Surprise, Nr. 598 (17. April 2025): 14–21, https://surprise.ngo/magazine/massentierhaltung-weggesperrt/. 

Mirjam Suri u. a., «Evaluation der Rückkehrberatung in den Bundesasylzentren», Schlussbericht (Basel: Staatssekretariat für Migration SEM, 2025), https://www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/publiservice/service/forschung/2025-schlussbericht-evaluation-rkb-baz.pdf.download.pdf/2025-schlussbericht-evaluation-rkb-baz-d.pdf. 

Patricia Lannen, Raquel Paz Castro, und Vera Sieber, «Kinder und Jugendliche in der Nothilfe im Asylbereich – Systematische Untersuchung der Situation in der Schweiz.» (Bern: Eidgenössischen Migrationskommission EKM, 2024), https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/89806.pdf. 

Sabine Lenggenhager und Anna Rüfli, «Seelsorge: ‹Die Kirche hilft›», herausgegeben von der Kirchlichen Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen, Asyl News, Fokus: Ça va, la santé? Nr. 3 (2024): 6–8, https://www.kkf-oca.ch/wp-content/uploads/KKF-AsylNews_3-24-web.pdf. 

Jana Schmid, «Seit 500 Tagen im Bunker», Hauptstadt, 25. Juni 2024, https://www.hauptstadt.be/a/seit-500-tagen-im-bunker-rueckkehrzentrum-bern-bruennen. 

Annika Lutzke, «“Im Bunker kannst du es ohne Drogen nicht aushalten”», das Lamm, 11. März 2025, Abschn. Asylpolitik, https://daslamm.ch/im-bunker-kannst-du-es-ohne-drogen-nicht-aushalten/. 

*Bei einer fatwa handelt es sich um eine nicht bindende Rechtsmeinung eines islamischen RechtsgelehrtenFatwas werden dann verlangt, wenn die Quellen, auf das sich das islamische Recht stützt (Koran, Sunna) nicht klar sind. Der Auslegung und Interpretation durch religiöse Autoritäten kommt dann besondere Bedeutung zu.  

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Autor:in

Lynn Allenbach

Lynn Allenbach

Wissenschaftliche Assistentin Migration Assistante scientifique migration

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