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Hintergrund: Kirchliche Situation in der Ukraine

1.03.2022

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat der Moskauer Patriarch Kyrill den Krieg nicht als solchen benannt und auch nicht verurteilt. Hingegen haben der Metropolit der Ukrainisch-orthodoxen Kirche (vormals Moskauer Patriarchat), die Orthodoxe Kirche der Ukraine und alle anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Ukraine den Krieg sehr klar verurteilt.

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) wandte sich am 2. März 2022 an Patriarch Kyrill und forderte ihn auf, bei Präsident Putin zu intervenieren. In seiner Antwort vom 10. März machte Patriarch Kyrill Kräfte ausserhalb Russlands und der Ukraine für den Konflikt verantwortlich, nämlich die NATO und das Patriarchat von Konstantinopel. Er hielt an der Vision eines grossen, vereinten, russischen und christlichen Volkes fest. Seitdem hat Patriarch Kyrill mehrfach den Krieg theologisch legitimiert und als «heiligen Krieg» bezeichnet. Diese Äusserungen haben zu scharfer Kritik des ÖRK geführt, der betonte, dass Krieg unvereinbar mit den christlichen Prinzipien sei. Im April 2024 erklärte der ÖRK, dass die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) aufgrund dieser Positionen ihre Mitgliedschaft im ÖRK riskieren könnte.

Bis 1991 gab es nur eine Orthodoxe Kirche in der Ukraine. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 bestand der Wunsch, dass – gemäss orthodoxer Tradition – eine nationale Orthodoxe Kirche in der Ukraine entsteht. Ein Teil des ukrainischen Klerus spaltete sich vom Moskauer Patriarchat ab und nannte sich Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats. Diese erklärte sich zu einer selbständigen Kirche, wurde aber von anderen orthodoxen Kirchen nicht anerkannt, bis das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel ihr 2019 die Autokephalie verlieh. Nur wenige autokephale Kirchen haben die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) bisher anerkannt, was zu erheblichen Spannungen innerhalb der orthodoxen Welt geführt hat. Die OKU ist daher in vielen internationalen orthodoxen Gremien nicht vertreten und ihre Gläubigen haben in einigen Ländern Schwierigkeiten, ihre religiösen Rechte auszuüben.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 hat sich die Situation weiter verschärft. Der russische Angriffskrieg hat die Spannungen zwischen den orthodoxen Kirchen in der Ukraine und Russland weiter vertieft. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) hat sich im Mai 2022 offiziell vom Moskauer Patriarchat losgesagt und ihre volle Unabhängigkeit erklärt. Dies führte zu weiteren Konflikten innerhalb der orthodoxen Gemeinschaft in der Ukraine und zu verstärkten staatlichen Repressionen gegen die UOK, die weiterhin als zu russlandnah betrachtet wird.

Die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) hat ihre Position gestärkt und wird zunehmend von der ukrainischen Regierung unterstützt. Viele Kirchengebäude, die zuvor der UOK gehörten, wurden der OKU übergeben. Die russische Armee hat seit Beginn des Krieges über 140 Kirchen der UOK zerstört, insgesamt sind ca. 500 religiöse Gebäude betroffen.

Trotz der offiziellen Position von Patriarch Kyrill gibt es innerhalb der ROK auch Widerstand gegen den Krieg. Im März 2022 haben über 300 Priester der ROK einen Appell veröffentlicht, in dem sie das Ende des Krieges fordern und die russische Aggression verurteilen. Sie betonten, dass der Krieg unvereinbar mit den christlichen Werten sei, und riefen zur Beendigung der Feindseligkeiten auf. Ein weiterer wichtiger Appell, «Christus und dem Evangelium treu bleiben», wurde im Januar 2025 von Geistlichen und Laien der ROK veröffentlicht. Darin wird betont, dass Christen immer Zeugnis für die Lehre Jesu Christi ablegen und alles ablehnen sollten, was mit dem Evangelium unvereinbar ist.

Die reformierte Kirche in der Ukraine spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Kontext des Krieges. Sie hat sich klar gegen die russische Aggression positioniert und setzt sich aktiv für den Frieden ein. Die reformierte Kirche unterstützt humanitäre Hilfsprojekte und bietet Unterstützung für Flüchtlinge und Kriegsopfer. Sie arbeitet eng mit internationalen Partnern zusammen, um Hilfsgüter zu liefern und den Wiederaufbau zu unterstützen.

Ein wichtiges kirchliches Projekt im Kontext des Ukrainekriegs ist die Initiative «Pathways to Peace» der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Dieses Projekt zielt darauf ab, Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden zu fördern. Es bietet einen sicheren Raum für den ehrlichen Austausch zwischen ukrainischen und russischen kirchenleitenden Personen und unterstützt den Wiederaufbau religiöser Stätten in der Ukraine. Zudem fördert es die Religions- und Glaubensfreiheit für von Krieg betroffene Gruppen und Individuen.

Quelle und weitere Infos: Forum RGOW, Themendossier Ukrainische Orthodoxie, Themendossier Russische Orthodoxe Kirche und der Krieg, Nachrichten Östlicher Kirchen