Krankheit und Verletzlichkeit gehören zu unserem Menschsein. Hilfe bedeutet nicht nur Beistand, sondern auch die Stärkung zur Eigenständigkeit. Unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe» lädt die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) am Tag der Kranken 2025 dazu ein, über Wege nachzudenken, wie Menschen in schwierigen Lebenslagen begleitet und zugleich ermutigt werden können, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Rita Famos, Präsidentin der EKS, unterstützt den Tag der Kranken mit einer persönlichen Videobotschaft. Sie erinnert daran, dass Selbsthilfe nicht nur Erkrankten sondern auch ihrem Umfeld guttut.
Der Beitrag der EKS bietet Predigtbausteine, Gebete und Psalmen, die Hoffnung spenden und den Blick auf eine solidarische Gemeinschaft richten. Denn christliche Nächstenliebe zeigt sich nicht nur im unmittelbaren Helfen, sondern auch darin, anderen den Raum zu geben, ihre eigenen Kräfte zu entdecken und zu entfalten.
Predigtgedanken zum Tag der Kranken 2025 «Hilfe zur Selbsthilfe»
Untenstehend finden Sie zwei Bibeltexte zum Thema und ein paar Gedanken, wie das Thema «Hilfe zur Selbsthilfe» in der Predigt aufgegriffen werden kann. Am Tag der Kranken bestünde auch die Gelegenheit zum Abendmahl mit Krankensegnung einzuladen.
Hilf dir selbst, so hilft dir Gott?
Im Volksmund wird das Sprichwort «Hilf dir selbst, so hilft dir Gott» oft als biblische Weisheit verstanden. Doch findet es sich tatsächlich in der Heiligen Schrift? Nein – vielmehr entspricht es einem Denken, das in der Antike verbreitet war. Der griechische Fabeldichter Äsop (um 600 v. Chr.) machte es in seiner Fabel «Herkules und der Ochsentreiber» bekannt. Dort bleibt ein Fuhrmann, dessen Wagen im Morast stecken geblieben ist, tatenlos und ruft allein die Götter um Hilfe an. Da erscheint ihm Herkules und spricht: «Lege die Hände an die Räder und treibe mit der Peitsche dein Gespann an – zu den Göttern flehe erst dann, wenn du selbst etwas getan hast. Andernfalls wirst du sie vergeblich anrufen.»
Das Sprichwort «Hilf dir selbst, so hilft dir Gott» betont Eigeninitiative und Eigenverantwortung, eingebettet in das Vertrauen auf göttliche Hilfe. Doch es birgt auch eine problematische Deutung: Hilft Gott nur denen, die sich selbst helfen?
In der biblischen Botschaft findet sich ein solcher Zusammenhang nicht. Jesus etwa weigert sich, sich selbst zu helfen, als ihn der Versucher auffordert, aus Steinen Brot zu machen (Mt 4,3 par). Seine Antwort lautet: «Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt» (Mt 4,4). Auch am Kreuz hilft er sich nicht selbst, als ein Verbrecher ihn herausfordert: «Bist du nicht der Messias? Rette dich und uns!» (Lk 23,39). Die Umstehenden spotten: «Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen» (Mk 15,31f par). Doch gerade in diesem scheinbaren Verzicht auf Selbstrettung vollzieht sich das Heil – erst in der Auferstehung wird er als Retter erkannt.
Biblisch treffender wäre daher die Umkehrung: «Wenn Gott dir hilft, dann hilf dir selbst.» Wer krank ist, soll sich der göttlichen Hilfe anvertrauen, aber auch die Möglichkeiten der Medizin und die eigenen Ressourcen nutzen. Doch es gibt Lebenslagen, in denen die eigene Kraft nicht mehr ausreicht. Dann gilt: «An Gottes Segen ist alles gelegen» – oder mit den Worten des Psalms: «Dem Seinen gibt der HERR es im Schlaf» (Ps 127,2).
Hier finden Sie die Predigtbausteine im PDF-Format.
Heilung am Teich Betesda
1Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 2In Jerusalem beim Schaftor ist ein Teich mit fünf Hallen, der auf hebräisch Betesda heisst. 3In den Hallen lagen viele Kranke. 5Dort war auch ein Mensch, der seit achtunddreissig Jahren an seiner Krankheit litt. 6Als Jesus diesen liegen sieht und erkennt, dass er schon eine lange Zeit leidet, sagt er zu ihm: Willst du gesund werden? 7Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich, sobald das Wasser aufgewühlt wird, in den Teich trägt; und wenn ich versuche, selber hinzukommen, steigt ein anderer vor mir hinein. 8Jesus sagt zu ihm: Steh auf, nimm deine Bahre und zeig, dass du gehen kannst! (1) 9Und sogleich wurde der Mensch gesund, er nahm seine Bahre und konnte gehen. An jenem Tag aber war Sabbat. 10Die Juden sagten nun zum Geheilten: Es ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt, deine Bahre zu tragen. 11Er aber antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, hat zu mir gesagt: Nimm deine Bahre und zeig, dass du gehen kannst! 12Sie fragten ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm sie und zeig, dass du gehen kannst? 13Der Geheilte wusste aber nicht, wer es war, denn Jesus hatte sich zurückgezogen, da an dem Ort ein Gedränge entstanden war. Johannes 5,1-13 (Zürcher Bibel)
(1) Wörtlich: … und geh umher oder geh
Das Bild des Gelähmten am Teich von Betesda ist ein eindrückliches Beispiel für die tiefgründige Bedeutung von «Hilfe zur Selbsthilfe» in der biblischen Heilungsgeschichte. Der Mann hat 38 Jahre lang auf Hilfe gewartet, doch niemand kam ihm zur Seite, um ihn in den Teich zu tragen, wenn das Wasser sich bewegte. In diesem Moment stellt sich Jesus ihm mit der Frage: «Willst du gesund werden?» Diese wird zu einer Einladung, eine aktive Entscheidung zu treffen. Der Kranke ist sich seiner Hilflosigkeit bewusst, er sieht seine eigenen Möglichkeiten als begrenzt. Doch Jesus heilt ihn nicht einfach, sondern fordert ihn zu einem Akt der Selbsthilfe auf: «Steh auf, nimm deine Bahre und geh!»
Jesus macht ihn nicht nur gesund im körperlichen Sinne, sondern auch im emotionalen und spirituellen Bereich. Er gibt ihm die Fähigkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen, selbst aktiv zu werden und sich selbst zu helfen. Diese Handlung ist tief symbolisch: Die Heilung ist nicht nur ein einmaliges Wunder, sondern ein langfristiger Aufruf, aus eigener Kraft und durch den Glauben an Jesus das Leben in die Hand zu nehmen. Die Bahre, die der Geheilte trägt, könnte man als Symbol für die Lasten des Lebens und die Vergangenheit deuten. Die Aufforderung, die Bahre zu nehmen und zu gehen, bedeutet, sich nicht länger von der Vergangenheit oder von den eigenen Grenzen definieren zu lassen, sondern die Verantwortung für das eigene Leben anzunehmen.
In der Predigtvorbereitung könnte dieser Moment der Heilung als Beispiel dafür dienen, dass wahre Heilung nicht nur in der Beseitigung von Krankheit oder körperlichem Leiden liegt, sondern auch in der Befähigung des Menschen, sich selbst zu helfen. Es geht darum, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen, gestärkt durch die Hilfe Jesu, und die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Jesus zeigt hier nicht nur Mitgefühl, sondern auch einen Weg zur Selbstermächtigung – ein Aspekt, der in der Praxis der Seelsorge, besonders im Zusammenhang mit dem Tag der Kranken, von Bedeutung sein kann. Die heilende Hilfe Jesu ist keine Entmündigung des Menschen, sondern eine Ermächtigung zur aktiven Teilnahme am eigenen Leben und an der Heilung.
Der dankbare Samaritaner
11Und es geschah, während er nach Jerusalem unterwegs war, dass er durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog. 12Und als er in ein Dorf hineinging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben in einiger Entfernung stehen 13und erhoben ihre Stimme und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! 14Und als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, dass sie rein wurden. 15Einer von ihnen aber kehrte, als er sah, dass er geheilt worden war, zurück, pries Gott mit lauter Stimme, 16fiel ihm zu Füssen auf das Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samaritaner. 17Jesus aber antwortete: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? 18Hat sich keiner gefunden, der zurückgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, ausser diesem Fremden? 19Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Lukas 17,11-19 (Zürcher Bibel)
Die zehn Aussätzigen sind in Not. Sie stehen am Rande der Gesellschaft. Sie dürfen nicht in die Gemeinschaft, sind ausgeschlossen. Doch sie ergreifen die Initiative: Sie rufen nach Je-sus, sie bitten um sein Erbarmen. Ihre Heilung beginnt mit dem Schrei «Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!». «Hilfe zur Selbsthilfe» beginnt oft mit der Erkenntnis, dass wir Hilfe brauchen – und mit dem Mut, um Hilfe zu bitten. Auch in unserer Zeit scheuen sich viele, ihre Not auszusprechen. Doch nur, wenn Not benannt wird, kann Heilung geschehen. Jesus heilt die zehn Aussätzigen nicht sofort, sondern fordert sie auf: «Geht und zeigt euch den Priestern!» Die Aussätzigen wagen einen Schritt des Glaubens: Sie gehen los, bevor sie geheilt sind. Sie vertrauen dem Wort Jesu. «Hilfe zur Selbsthilfe» bedeutet auch, Schritte zu tun, bevor man das Ziel sieht – im Vertrauen darauf, dass Heilung geschieht.
Alle zehn werden gesund, aber nur einer kehrt zurück, um Gott zu danken. Jesus fragt den einen: «Wo sind die anderen neun?» – Heilung ist mehr als körperliche Genesung. Sie umfasst auch das geistliche Erkennen, das Danken, das bewusste Leben aus der Gnade Gottes. Dankbarkeit ist ein Schlüssel zur ganzheitlichen Heilung. Sie verändert die Perspektive und hilft, das Geschenk des Lebens bewusst zu ergreifen. Während alle zehn Aussätzigen von ihrer Krankheit geheilt wurden, bekommt die Heilung bei einem von ihnen noch eine andere Dimension: Es ist der eigene Glaube, der sich in der Dankbarkeit für die Heilung ausdrückt. Der eine Geheilte kehrt zum Heilenden zurück, fällt vor ihm nieder und dankt Gott. Heilung ist also Beziehungsgeschehen zu Gott und den Menschen. Jesus zeigt, dass es nicht nur um körperliche Heilung geht, sondern um Rettung, um Heil.
«Hilfe zur Selbsthilfe» heisst:
- Die eigene Not wahrnehmen und benennen: Wer Hilfe braucht, muss den Mut haben, sich zu zeigen – sei es in Krankheit, psychischer Belastung oder sozialer Not.
- Im Vertrauen Schritte gehen: Hilfe kommt nicht immer sofort. Oft müssen Wege gegangen werden, bis Veränderungen sichtbar werden.
- Dankbarkeit als Haltung einüben: Dankbarkeit hilft, nicht nur die Heilung, sondern auch den Heiler zu sehen.
- Ganzheitliche Heilung suchen: Es geht nicht nur um körperliche Heilung, sondern um ein Leben in Beziehung zu Gott und den Mitmenschen.
Diese Geschichte erinnert daran, dass wahre Heilung nicht nur ein körperliches, sondern auch ein geistliches Geschehen ist – und dass Glaube, Vertrauen und Dankbarkeit entscheidende Schritte auf diesem Weg sind.
Psalmen zum Tag der Kranken 2025
Psalmen können eine Form der «Hilfe zur Selbsthilfe» sein, indem sie Worte für das Unaussprechliche geben. Sie bieten eine Sprachhilfe, wenn eigene Wort fehlen, und werden so zur Grundlage für persönliches Gebet. Auch in der gottesdienstlichen Gemeinde entfalten Psalmen ihre Kraft. Indem die Gemeinde in das Psalmgebet einbezogen wird, entsteht ein gemeinsames Beten, das Trost, Stärkung und Verbundenheit schenkt.
Hier finden Sie die Psalmen-Gebete im PDF-Format.
Gebete und Segen zum Tag der Kranken 2025
Gebete können eine Hilfe sein, um ins Gespräch mit Gott zu kommen. Sie verleihen persönlichen Gedanken und Anliegen Ausdruck, ohne dabei eine objektive Wahrheit zu beanspruchen.
Hier finden Sie die Gebete im PDF-Format.
Weitere Infos zu den Aktivitäten zum Tag der Kranken 2025 finden Sie auf der Website des Vereins.